Ältere Leser mögen sich an die Computerzeitschrift c`t erinnern. Die war mal so voll mit eingelegten Werbezetteln, das man sie erstmal ausschütteln musste, bevor man sie lesen konnte. Dabei wurde sie dann nur halb so dick.
Ähnliches gibt es bei Handys, die sogenannte Bloatware. Das sind Programme, die der Hersteller installiert, die man aber nicht haben will. Meist unnötiges Zeug vom Sponsor.
Und auch bei der Royal Enfield gibt es so etwas. Dinge, die vielleicht funktionieren, aber keinen weiteren Nutzen haben. Ich werde sie zu informativen Zwecken beschreiben.
1. Das EVAP System
Die Idee kommt aus Kalifornien. Dort war es schon lange so, das Benzindämpfe in der Luft als die Ursache allen Übels auf der Welt angesehen wurde. Deshalb wurden dort zunächst mal die Zapfpistolen mit einem dicken Gummiwulst umschlossen, der den Benzindampf daran hindern sollte, in die Atmosphäre zu gelangen. Leider war damit das Tanken von Harleys nicht möglich, ohne das immer ein Schwall von Benzin über den Tank gelaufen ist. Grossartig.
Dann kam die Idee auf, das jedes Fahrzeug einen Aktivkohlefilter eingebaut haben sollte, der die ach so schädlichen Benzindämpfe und auch überlaufendes Benzin auffängt und dann wieder in den Ansaugtrakt entlässt.
Diese Systeme haben bei Motorrädern nie wirklich funktioniert. Das Evap System bei BMW kam in den traurigen Ruf, erhebliche Beschädigungen auszulösen, weshalb manche Händler es gleich bei der Auslieferung demontiert haben.
Diese Aktivkohlefilter können verstopfen, und damit die Belüftung des Tanks unmöglich machen. Also kann weder Überdruck entweichen noch Unterdruck ausgeglichen werden. Besonders letzteres kann bei Einspritzern mit geringem Pumpendruck (wie bei Royal Enfield) zu ungleichmässiger Gasannahme und unstetem Leerlauf führen.
Zudem will nicht jeder Kraftstoff durch den Manifold leiten, der mit Aktivkohlepartikel geschwängert ist.
In Automobilen wird ein elektrisches Ventil (durch die EFI gesteuert) verwendet welches verhindern soll, das das Benzin aus dem Aktivkohlefilter die Ansaugluft über Gebühr anfettet, und so die Lambdasonden fehlleiten würde. Bei der Royal Enfield erledigen das schlichte Rückschlagventile. Genauer gesagt gleich zwei von der Sorte.

(Bilder aus Euro IV Vehicles Service Manual)
Laut Royal Enfield Handbuch müssen die Gummischläuche des EVAP System alle 12.000 km ausgetauscht werden. Sonst könnten sie porös werden und einen Brand verursachen. Sie werden halt kontinuierlich mit Benzindampf beaufschlagt. Das mag kein Gummi. Der Aktivkohlebehälter wird wohl auch nicht viel länger durchhalten.
Manch einer kommt da auf die Idee, das ganze Kanistergeraffel komplett zu entfernen und den Schlauch vom Tank zum Kanister einfach offen nach unten zu führen. So wie es bei allen Motorrädern in den letzten 100 Jahren gemacht wurde. Man muss dann nur die Öffnung im Manifold verschliessen, an den der Rückführungsschlauch endet. Zum Beispiel mit einer Gummikappe. Oder mit einer Schraube.
So sieht beispielhaft ein ausgebautes Evap System aus:

Den Aktivkohlebehälter könnte man weiterverwenden. Zum Beispiel um unauffällig eine Alarmanlage darin zu montieren.
Wer das EVAP System behalten will sollte prüfen, das der Schlauch zum Manifold keinen Knick hat, so wie es bei mir der Fall war. Denn dann macht dann die ganze Mimik so überhaupt keinen Sinn.
2. Das PAV System
"Another Beauty", wie die Amis so schön sagen. PAV steht für Pulse Air Valve?
Wieder ein Exotisches Problem. Es kann manchmal sein, das zu viel unverbranntes Benzin oder einfach nur Reste davon im Ablufttrakt sind. Zum Beispiel wenn man den Choke zieht. Denn dafür ist er ja da. Oder im Falle der EFI das Gemisch im Leerlauf automatisch angereichert wird, wenn der Motor kalt ist. Denn wenn das Gemisch zu dünn ist, geht die Maschine im Leerlauf einfach aus. Deshalb wird der Motor im Leerlauf leicht angefettet.
Dieses unverbrannte Benzin muss unbedingt im Auspuff verbrannt werden. Denn verdampfendes Benzin ist ja die Ursache allen Übels, wie wir schon wissen. Deshalb wird Frischluft aus dem Lufi in den Abgaskrümmer geleitet, um diese Partikel nachzuverbrennen. Wie bei einem Düsenjäger, nur das uns der Nachbrenner nix bringt.
Der Fall, das nachverbrannt werden muss, ist relativ selten. Meist bei Kaltstart oder sehr kaltem Motor. Und im Leerlauf. Wenn der Motor warm ist läuft alles auch sehr gut ohne. Denn dafür sorgt die Lambda Regelung.
Natürlich musste das bei Motorrädern durch bauliche Massnahmen behandelt werden. Und nicht wie bei Dieselfahrzeugen, die in diesem Fall einfach ungeregelt und ungefiltert ihre Abgase rauslassen dürfen. Und das passiert dort in 40% der Motorlaufzeit.
Der technische Aufwand ist diesmal sogar noch höher als beim EVAP System. Es gibt zwei Probleme bei diesem System. Es könnten Abgase durch die Leitung zurück in den Lufi schwappen. Das wäre theoretisch nicht so wild. Denn schon bei den alten BMWs (R100) gab es eine Abgasrückführung (Sekundärluftsystem SLS), die Teile der Abgase direkt wieder in den Luftfilter geleitet haben. Dadurch wurde das Gemisch angefettet und die Menge an Stickoxiden massiv heruntergefahren. Merke für die Zukunft: Fettes Gemisch = weniger Stickoxide. Ziemlich störend an der Sache war dabei immer der verdreckte Luftfilter. Und richtig funktioniert hat es auch nie.
Nur bei der BMW sollten die Abgase zum Lufi, bei der Bullet soll Frischluft zum Auspuff. Deshalb hat Enfield eine sogenannte Reed Valve (Rückschlagventil) in die Leitung gebaut. Das ist ein Ventil, das den Luftstrom nur zum Krümmer hin zulässt, aber in die andere Richtung sperrt. Sollte dieses Ventil defekt sein, strömen heisse Abgase Richtung Lufi. Dafür sind die Plastikschläuche der Enfield nicht ausgelegt (die Leitungen der BMW SLS waren aus Metall). Die können dann schmelzen.
Das zweite Problem ist das Drehmoment. Bei jedem Auspuff gibt es Schwingungsphänomene. Phasen, in denen ein Überdruck herrscht, und Phasen in denen ein Unterdruck herrscht. Dieser Unterdruck ist massiv für gutes Drehmoment in unteren Drehzahlen verantwortlich. Das erklärt auch, warum offene Drag Auspuffanlagen nur im oberen Drehzahlbereich funktionieren. Denn bei denen kann sich kein Unterdruck aufbauen, weil das Ende das Auspuffs einfach nur offen ist.
Wenn es nun eine ständige Verbindung zum Lufi gäbe, dann würde der Unterdruck im Auspuff durch Frischluft aus dem Lufi reduziert werden, was zu Drehmoment Einbussen führen würde.
Deshalb muss ein elektrischer Solenoid her, der die Leitung An/Abschaltet. Und dann nur Anschaltet bei Drehzahlen nahe dem Leerlauf. Diese Control Valve wird von der EFI gesteuert und überwacht.
Die Control Valve ist der Grund, warum man den Zylinderkopf nicht einfach mit einer passenden Schraube verschliessen und den Rest des PAV Systems in den Müll werfen kann. Die EFi würde das Merken und ständig Fehlermeldungen rauswerfen. Zu diesem Zweck gibt es bei der Firma Hitchcock in GB ein Air Injection Delete Kit.

Darin sind neben der Schraube zum Verschliessen des PAV Kanals im Zylinderkopf, einer Kupferdichtung und dem Gummipfropfen zum Verschliessen der Luftzufuhr im Luftfilter auch ein weisser Stecker mit Gegenstück vorhanden.
Man schneidet also den Stecker, der in den Control Valve geht ab und ersetzt ihn durch den weissen Stecker. Im passenden Gegenstück ist ein Widerstand von 7,5 kOhm eingebaut. Dieser stellt sicher, das die EFI keine Störungsmeldung speichert. Sie glaubt weiterhin, das der Solenoid angeschlossen ist.
Die Verschlusschraube hat ein Gewinde von M16x1.5 und das Gewinde ist 7,5mm lang.
Wer den Stecker nicht abschneiden will, kann auch einfach zwei Kontaktstifte nehmen, einen 5KOhm Widerstand reinlöten (wenn man gerade keinen anderen zur Hand hat), das ganze in den Stecker klemmen und dann mit Klebeband zumachen. So könnte man das System auch wieder problemlos einbauen. Falls man glaubt, man könne ohne PAV nicht weiterleben.

© 2020, Peter Viczena
Ähnliches gibt es bei Handys, die sogenannte Bloatware. Das sind Programme, die der Hersteller installiert, die man aber nicht haben will. Meist unnötiges Zeug vom Sponsor.
Und auch bei der Royal Enfield gibt es so etwas. Dinge, die vielleicht funktionieren, aber keinen weiteren Nutzen haben. Ich werde sie zu informativen Zwecken beschreiben.
1. Das EVAP System
Die Idee kommt aus Kalifornien. Dort war es schon lange so, das Benzindämpfe in der Luft als die Ursache allen Übels auf der Welt angesehen wurde. Deshalb wurden dort zunächst mal die Zapfpistolen mit einem dicken Gummiwulst umschlossen, der den Benzindampf daran hindern sollte, in die Atmosphäre zu gelangen. Leider war damit das Tanken von Harleys nicht möglich, ohne das immer ein Schwall von Benzin über den Tank gelaufen ist. Grossartig.
Dann kam die Idee auf, das jedes Fahrzeug einen Aktivkohlefilter eingebaut haben sollte, der die ach so schädlichen Benzindämpfe und auch überlaufendes Benzin auffängt und dann wieder in den Ansaugtrakt entlässt.
Diese Systeme haben bei Motorrädern nie wirklich funktioniert. Das Evap System bei BMW kam in den traurigen Ruf, erhebliche Beschädigungen auszulösen, weshalb manche Händler es gleich bei der Auslieferung demontiert haben.
Diese Aktivkohlefilter können verstopfen, und damit die Belüftung des Tanks unmöglich machen. Also kann weder Überdruck entweichen noch Unterdruck ausgeglichen werden. Besonders letzteres kann bei Einspritzern mit geringem Pumpendruck (wie bei Royal Enfield) zu ungleichmässiger Gasannahme und unstetem Leerlauf führen.
Zudem will nicht jeder Kraftstoff durch den Manifold leiten, der mit Aktivkohlepartikel geschwängert ist.
In Automobilen wird ein elektrisches Ventil (durch die EFI gesteuert) verwendet welches verhindern soll, das das Benzin aus dem Aktivkohlefilter die Ansaugluft über Gebühr anfettet, und so die Lambdasonden fehlleiten würde. Bei der Royal Enfield erledigen das schlichte Rückschlagventile. Genauer gesagt gleich zwei von der Sorte.
(Bilder aus Euro IV Vehicles Service Manual)
Laut Royal Enfield Handbuch müssen die Gummischläuche des EVAP System alle 12.000 km ausgetauscht werden. Sonst könnten sie porös werden und einen Brand verursachen. Sie werden halt kontinuierlich mit Benzindampf beaufschlagt. Das mag kein Gummi. Der Aktivkohlebehälter wird wohl auch nicht viel länger durchhalten.
Manch einer kommt da auf die Idee, das ganze Kanistergeraffel komplett zu entfernen und den Schlauch vom Tank zum Kanister einfach offen nach unten zu führen. So wie es bei allen Motorrädern in den letzten 100 Jahren gemacht wurde. Man muss dann nur die Öffnung im Manifold verschliessen, an den der Rückführungsschlauch endet. Zum Beispiel mit einer Gummikappe. Oder mit einer Schraube.
So sieht beispielhaft ein ausgebautes Evap System aus:
Den Aktivkohlebehälter könnte man weiterverwenden. Zum Beispiel um unauffällig eine Alarmanlage darin zu montieren.
Wer das EVAP System behalten will sollte prüfen, das der Schlauch zum Manifold keinen Knick hat, so wie es bei mir der Fall war. Denn dann macht dann die ganze Mimik so überhaupt keinen Sinn.
2. Das PAV System
"Another Beauty", wie die Amis so schön sagen. PAV steht für Pulse Air Valve?
Wieder ein Exotisches Problem. Es kann manchmal sein, das zu viel unverbranntes Benzin oder einfach nur Reste davon im Ablufttrakt sind. Zum Beispiel wenn man den Choke zieht. Denn dafür ist er ja da. Oder im Falle der EFI das Gemisch im Leerlauf automatisch angereichert wird, wenn der Motor kalt ist. Denn wenn das Gemisch zu dünn ist, geht die Maschine im Leerlauf einfach aus. Deshalb wird der Motor im Leerlauf leicht angefettet.
Dieses unverbrannte Benzin muss unbedingt im Auspuff verbrannt werden. Denn verdampfendes Benzin ist ja die Ursache allen Übels, wie wir schon wissen. Deshalb wird Frischluft aus dem Lufi in den Abgaskrümmer geleitet, um diese Partikel nachzuverbrennen. Wie bei einem Düsenjäger, nur das uns der Nachbrenner nix bringt.
Der Fall, das nachverbrannt werden muss, ist relativ selten. Meist bei Kaltstart oder sehr kaltem Motor. Und im Leerlauf. Wenn der Motor warm ist läuft alles auch sehr gut ohne. Denn dafür sorgt die Lambda Regelung.
Natürlich musste das bei Motorrädern durch bauliche Massnahmen behandelt werden. Und nicht wie bei Dieselfahrzeugen, die in diesem Fall einfach ungeregelt und ungefiltert ihre Abgase rauslassen dürfen. Und das passiert dort in 40% der Motorlaufzeit.
Der technische Aufwand ist diesmal sogar noch höher als beim EVAP System. Es gibt zwei Probleme bei diesem System. Es könnten Abgase durch die Leitung zurück in den Lufi schwappen. Das wäre theoretisch nicht so wild. Denn schon bei den alten BMWs (R100) gab es eine Abgasrückführung (Sekundärluftsystem SLS), die Teile der Abgase direkt wieder in den Luftfilter geleitet haben. Dadurch wurde das Gemisch angefettet und die Menge an Stickoxiden massiv heruntergefahren. Merke für die Zukunft: Fettes Gemisch = weniger Stickoxide. Ziemlich störend an der Sache war dabei immer der verdreckte Luftfilter. Und richtig funktioniert hat es auch nie.
Nur bei der BMW sollten die Abgase zum Lufi, bei der Bullet soll Frischluft zum Auspuff. Deshalb hat Enfield eine sogenannte Reed Valve (Rückschlagventil) in die Leitung gebaut. Das ist ein Ventil, das den Luftstrom nur zum Krümmer hin zulässt, aber in die andere Richtung sperrt. Sollte dieses Ventil defekt sein, strömen heisse Abgase Richtung Lufi. Dafür sind die Plastikschläuche der Enfield nicht ausgelegt (die Leitungen der BMW SLS waren aus Metall). Die können dann schmelzen.
Das zweite Problem ist das Drehmoment. Bei jedem Auspuff gibt es Schwingungsphänomene. Phasen, in denen ein Überdruck herrscht, und Phasen in denen ein Unterdruck herrscht. Dieser Unterdruck ist massiv für gutes Drehmoment in unteren Drehzahlen verantwortlich. Das erklärt auch, warum offene Drag Auspuffanlagen nur im oberen Drehzahlbereich funktionieren. Denn bei denen kann sich kein Unterdruck aufbauen, weil das Ende das Auspuffs einfach nur offen ist.
Wenn es nun eine ständige Verbindung zum Lufi gäbe, dann würde der Unterdruck im Auspuff durch Frischluft aus dem Lufi reduziert werden, was zu Drehmoment Einbussen führen würde.
Deshalb muss ein elektrischer Solenoid her, der die Leitung An/Abschaltet. Und dann nur Anschaltet bei Drehzahlen nahe dem Leerlauf. Diese Control Valve wird von der EFI gesteuert und überwacht.
Die Control Valve ist der Grund, warum man den Zylinderkopf nicht einfach mit einer passenden Schraube verschliessen und den Rest des PAV Systems in den Müll werfen kann. Die EFi würde das Merken und ständig Fehlermeldungen rauswerfen. Zu diesem Zweck gibt es bei der Firma Hitchcock in GB ein Air Injection Delete Kit.
Darin sind neben der Schraube zum Verschliessen des PAV Kanals im Zylinderkopf, einer Kupferdichtung und dem Gummipfropfen zum Verschliessen der Luftzufuhr im Luftfilter auch ein weisser Stecker mit Gegenstück vorhanden.
Man schneidet also den Stecker, der in den Control Valve geht ab und ersetzt ihn durch den weissen Stecker. Im passenden Gegenstück ist ein Widerstand von 7,5 kOhm eingebaut. Dieser stellt sicher, das die EFI keine Störungsmeldung speichert. Sie glaubt weiterhin, das der Solenoid angeschlossen ist.
Die Verschlusschraube hat ein Gewinde von M16x1.5 und das Gewinde ist 7,5mm lang.
Wer den Stecker nicht abschneiden will, kann auch einfach zwei Kontaktstifte nehmen, einen 5KOhm Widerstand reinlöten (wenn man gerade keinen anderen zur Hand hat), das ganze in den Stecker klemmen und dann mit Klebeband zumachen. So könnte man das System auch wieder problemlos einbauen. Falls man glaubt, man könne ohne PAV nicht weiterleben.
© 2020, Peter Viczena