Ich habe mir (mit einiger Mühe) die Ausgabe 3/10 der Zeitschrift "Dreammachines" gekauft. Dort wurde in der Rubrik Test&Technik eine Testreihe vorgestellt, in der mehrere Prüfstandläufe durchgeführt wurden, mal mit dem original Auspuff/Luftfilter, mal mit getunten Komponenten:
DREAM-MACHINES
Ergebniss1: Mit offenem Auspuff und Luftfilter kann man aus einem neueren Twincam Motor 12PS Mehrleistung herausholen.
Ergebniss2: Keine der getestete Motortuning Komponenten (PowerCommander, Mastertune und Harley SuperTuner) brachte auf dem Motorprüfstand ein besseres Ergebniss wie die ursprüngliche Harley Programmierung.
Im folgenden werde ich mich mit Ergebniss2 beschäftigen, da Ergebniss1 zu erwarten war...
Der Test der Dreammachine war interessant, aber halbgar. Natürlich spielt neben der Leistung auch eine Rolle, wie die Gasannahme ist. Und das generelle Laufverhalten im Teillastbereich. Es wäre interessant gewesen, neben den reinen Leistungsprüfstandsdaten auch den jeweiligen AFR (Lambda) Wert zu messen. Dann hätte man sehen können, wo und wie die Lambdasonden regeln. Oder auch nicht...
Die Laufruhe und das dynamische Ansprechverhalten der Maschine hängt in erster Linie davon ab, wie gut die Werte für den Luftdurchsatz (VE Table), die in der EFI einprogrammiert sind, mit den tatsächlichen Werten (die sich bei Umbau von Auspuff/Luftfilter teils erheblich ändern können) übereinstimmen. Demnach ist dieser Abgleich immer der erste Schritt, wenn man die Einspritzanlage professionell tunen will. Das kann auf einem Prüfstand gemacht werden, oder auf der Strasse.
Es gibt auch Systeme, die sich selber Tunen (Autotune). Diese Systeme haben ihre eigenen Probleme. Wenn man keinen Prüfstand zur Verfügung hat, kann man durch eine Messfahrt zusammen mit den Programmen TTS Mastertune, VTune und den eingebauten Lambdasonden die VE-Tables einmessen und dadurch relativ exakt anpassen. Wie das genau geht, werde ich in einem anderen Artikel beschreiben.
Sofern also die VE Tables richtig geeicht sind und man dann im Teillastbereich bis etwa 3500 RPM auf Closed Loop stellt, bekommen die Zylinder bereits fast immer die ideale Einspritzmenge, und die Lambdaregelung muss nur noch wenig eingreifen. DAS bringt Dynamik und Laufruhe. Und auch einen moderaten Spritverbrauch auf Reisen.
Die EFI intern
Was viele nicht wissen: Eigentlich bräuchte man überhaupt keine Lambdasonden, wenn die VE Table der EFI richtig eingestellt ist. Wenn man aber (wie die Factory) immer dieselbe Programmierung verwendet, dann hilft die Lambdasonde, Fahrzeugunterschiede, Spritqualitäten etc auszugleichen. Das ist aber auch alles. Wir haben keinen 3-Wege Kat wie die modernen Autos, die immer auf einem AFR von 14,6 (Lambda=1) bestehen. Und die Harley hat auch keinen Luftmassensensor, der für eine echte 3-Wege Regelung nötig wäre. Und wir Endverbraucher müssen auch nicht immer und unter allen Umständen Californische Abgasgesetze erfüllen, so wie die Factory.
Die Lambdsonden-Regelung braucht teilweise mehr als 2 Sekunden (bei groben Ungleichgewichten auch noch länger), bevor sie mit einer verwertbaren Meldung reagiert. Je näher man also durch die richtigen VE-Table Werte an der optimalen Einspritzmenge dran ist, desto geringer ist die Chance, jeweils sekundenlang ein deutlich zu mageres (oder zu fettes) Gemisch zu fahren.
Erkennen kann man das, indem man für die VTune Messfahrt einen kleinen, externen USB Monitor am Lenker installiert. Dann sehe ich nicht nur, welche Bereiche der VE-Table ich bereits mit genügend Daten gefüttert habe und welche nicht. Ich sehe auch, wann und wie die jeweiligen Lambdasensoren reagieren.
Um einzuschätzen, was das für die EFI bedeutet jetzt noch eine kleine Beschreibung der Funktion. Die EFI schaut in der AFR Tafel nach, wieviel Treibstoff bei der aktuellen Drehzahl und der Manifold Pressure (übersetzt mit aktueller Belastung) gerade eingespritzt werden soll. Dann schaut die EFI in die VE Tafel des jeweiligen Zylinders wieviel Luft die Maschine bei der aktuellen Drehzahl transportieren kann. Luftmenge und Treibstoffmenge ergeben im Idealfall schonmal eine explosionsfähiges Gemisch, mit dem der Motor laufen könnte. Aber da wird noch nachkorrigiert, um Umwelteinflüsse oder Fahrdynamik auszugleichen:
Erstmal wird in die Korrekturtafeln für die Temperatur und den barometrischen Luftdruck geschaut. Diese Tafeln können den Einspritzwert um +-10% verschieben. Sie ändert sich nur sehr langsam. Wie das Wetter :-)
Zudem gibt es noch eine Adaptive Fuel Value Table (AFV), die für den Benutzer/Programmierer nicht offengelegt ist. In dieser werden langfristig ermittelte Korrekturwerte abgelegt, die durch die Lambdasonden gemessen werden. Für die Bereiche, in denen die Lambdasonden nicht arbeiten (Open Loop, >3500 rpm) werden diese Werte einfach interpoliert/geschätzt. Es scheint so zu sein, als ob diese Tafel recht grob ist, also mehr oder weniger immer einen konstanten Wert über ein relativ grosses Drehzahlband hinweg liefert. Auf jeden Fall ist sie nicht so fein wie die AFR Table; es gibt nicht für jede AFR Zelle auch eine AFV Korrekturzelle. Es handelt sich nur um 24 AFV-Korrekturzellen pro Zylinder, aber etwa 4x soviele AFR-Zellen, die für eine Nachregelung in Frage kämen. Deshalb kann dieser Mechanismus auch nicht als Autotune Feature angesehen werden. Ausserdem wirkt die AFV Tabelle direkt auf die VE-Table und nicht auf die AFR-Tabelle, um die Einspritzwerte zu korrigieren.
Dieser Speicher wird bei einem Reflashen der EFI gelöscht, genauso wie bei 24h ohne Batterie. Während der Fahrzeit werden ständig Korrekturwerte in diese Tabelle geschrieben, die dann zum Beispiel die Einspritzmenge um 5% im gesamten Drehzahlband erhöht. Es ist unbekannt, um wieviel diese Tafel die Einspritzmenge absolut beeinflussen kann.
Wenn man gerade beschleunigt oder verzögert, werden noch die Werte aus der Accelleration/Decelleration Table addiert/subtrahiert. Wenn der Motor noch nicht warm ist, dann gibts einen Schuss Sprit aus der Warmup Tabelle.
Und zu guter letzt: wenn man sich über 4500 rpm befindet (PE Value, EFI konstante), dann wird der AFR über die Zeit hinweg kontinuierlich verringert, um eine Überhitzung des Motors zu vermeiden. Plus weitere Tabellen, die im Hintergrund für irgendwelche Fahrsituationen ihren Dienst tun und nicht offengelegt wurden.
Aus all diesen Informationen wird dann der nächste Schuss Treibstoff berechnet. Wenn der Motor mit 3000 UPM läuft, dann wird diese Berechnung 6000 Mal pro Minute durchgeführt, also 100 Mal pro Sekunde. Da sind dann 2 Sekunden, bis die Lambdasonde anspricht, eine kleine Ewigkeit.
Fazit: die Regelung der Lambdasonden ist generell sehr ungenau, da sie nur zum Ausgleich von Luftdruckunterschieden und kleinerer Fertigungsstreuungen am Luftsystem des Fahrzeugs konzipiert wurde. Und das Wetter ändert sich eben nicht alle Minuten. Starke Ungleichgewichte bei der tatsächlich angeforderten Luftmenge innerhalb des Drehzahlbandes (die genau zum klingeln, Patschen im Schiebebetrieb, ruckeln oder überhitzen führen) werden nur sehr träge und mühsam, falls überhaupt ausgeglichen.
Der DeamMachine Testaufbau
Die Zeitschrift Dreammachine hat bei ihrem Test auf dem Prüfstand offenbar einfach nur Vollgas gegeben. Eine typische Leistungs/Drehmomentmessung. Dabei sind einige der "Helferlein" in der EFI angesprungen die dafür sorgen, dass die AFR Werte nicht mehr bei 14,6 (Stöchiometrisch, etwa Normalwert bei Closed-Loop Betrieb), sondern bei etwa 13,2 bis 13,8 liegen. Dieser Wert kann nach 30 Sekunden auch bis auf AFR 12,0 runtergehen (siehe PE Table). Dieser Mechanismus sorgt dafür, das bei WOT (Wide Open Throttle, Vollgas) nochmal Kraftstoff eingespritzt wird, um eine Überhitzung des Motors zu verhindern.
Wenn man dagegen ganz normal fährt, dann läuft man im Teillastbereich auf der Lambda-Wunsch-AFR von 14,6 und ansonsten auf den voreingestellten AFR Sollwerten. Dieser Umstand (Misstand) führt dann zu den im Heft beschriebenen, eher bescheidenen Fahrverhalten im Teillastbereich bei der ursprünglichen Harley Programmierung.
Deshalb muss man eigentlich alle Zusatzfunktionen und Helferlein der EFI , welche das Gemisch ab/anreichern, abschalten, bevor man eine Prüfstandmessung macht. Sonst misst man irgendwas, nur nicht die tatsächliche Abstimmung. Und das ist offensichtlich bei dem Test passiert.
In der Physikvorlesung heisst das: Wer misst misst Mist...
Nur: wenn man die EFi-Helferlein abschalten will, geht das nur über die Neuprogrammierung der EFI mit einer anderen MAP, und damit ist die ursprüngliche Programmierung der Harley überschrieben. Und wieder würde man nicht die Originalprogrammierung messen, sondern die neue Map. Meines Wissens ist nicht bekannt, wie die original Harley Programmierung wirklich aussieht. Also kann man auch keine "helferlose" Version der HD-Map aufspielen. Böse Falle.
Das als Fazit des Testberichtes herauskam, dass kein anderes Tuningsystem eine bessere Drehmoment/Leistungskurve bei Vollgas bringt als HD (trotz massiver Anstrengungen), ist nicht weiter verwunderlich. Etwas anderes als die Originalprogrammierung, nämlich die Lambdasonden zu ignorieren und die Einspritzmenge von AFR 13,5 auf satte AFR 12,0 runterzudrehen, macht halt keiner. Simple as that...
Warum funktioniert dann die aktuelle Harley EFI Originalprogrammierung so viel besser mit einer getunten Auspuff/Luftfilter Kombo wie frühere Versionen?
Die EFI regelt über die Lambdasonden zwar etwas nach, falls die Luftmenge sich ändert. Aber die Nachregelung war (bisher) nur dafür gedacht, Luftdruckunterschiede und Fahrzeugtoleranzen auszugleichen. Wahrscheinlich ist der Nachregelbereich in der Adaptive Fuel Value Table jetzt etwas weiter geworden: es wurde sicherlich der Adaptionsbereich erhöht, also statt 5% jetzt vielleicht 10% maximale Änderung. Vielleicht gibt es jetzt auch mehrere errechnete Korrekturwerte für den OpenLoop Bereich, in dem die Lambdasonden nicht mehr arbeiten. Deshalb funktioniert jetzt auch ein neuer Auspuff und Luftfilter noch halbwegs. Betonung auf halbwegs. "Exakt" kann es systembedingt nur im Closed Loop Drehzahlbereich sein. Ausserhalb dessen lebt man sowieso nur mit einem festen Aufschlag.
Im normalen Fahrbetrieb läuft die Maschine grösstenteils im Teillastbereich (closed loop), d.h. durch die Lambdasonden gesteuert. Und nicht im ständigen Vollgasbetrieb. Ausserhalb des Closed Loop Bereiches, der normalerweise bis etwa 3500 RPM geht, kann es demnach trotz aller Lambda-Magie weiterhin sein, dass die Maschine zu mager läuft, da dort die Einspritzmenge direkt aus der VE Table errechnet wird und sich erfahrungsgemäss im Bereich von AFR 13,8 und (deutlich) niedriger halten sollte, um den Motor nicht zu überhitzen. Wenn da also die VE-Table nicht stimmt, wird das Gemisch zu mager oder zu fett berechnet.
Mit dem Mastertune kann man die EFI dazu bringen, im reine Closed loop Betrieb wie auch in allen anderen Drehzahlbereichen jederzeit optimal zu arbeiten. Die Nachregelung durch die Lambdasonden beschränkt sich dann nur noch auf Temperatur/Luftdruckunterschiede im Teillastbereich. Dadurch geschieht die Nachregelung naturgegeben schneller und präziser, falls sie überhaupt noch nötig ist. Und im Open Loop Betrieb werden die korrekten Einspritzwerte passend zur Drehzahl/Last errechnet, ohne auf einen globalen Korrekturfaktor angewiesen zu sein.
Die Factory hatte bei der Änderung der Maps übrigens nicht das Wohl des Endverbrauchers im Sinn. Vielmehr haben die US-Bikes erst seit 2010 alle einen Katalysator, was wohl zu einer "Katalysator-Optimierten" Einstellung der EFI geführt hat. Was zum (wohlbekannten) Umkehrschluss führt, dass Harley sich bisher nur "marginal" um das Fahrverhalten von Katalysatorfahrzeugen fürs Ausland und Californien geschert hat. Um es vorsichtig Auszudrücken.
Mein Fazit:
Man kann ab Baujahr 2010 den Auspuff/Luftfilter ändern, ohne gleich einen Motorkollaps durch massive Überhitzung fürchten zu müssen. Und der Motor klingelt auch nicht gleich wie eine Dose voller Kleingeld, wenn man im Hochsommer mal italienisches Normalbenzin tankt.
Ruckelfreis Fahren im unteren Drehzahlbereich, kühlerer Motorlauf und gleichmässiger Anzug erfordern jedoch weiterhin das Tunen der Einspritzanlage. Nach einem TTS Mastertuning kann ich vollbeladen bei 1200 RPM (knapp über Standgas) steile italienische Alpenpässe hochtrekkern. Und wenn ich dann Gas gebe, zieht die Fuhre sauber hoch. So habe ich mir Harley fahren immer vorgestellt.
Die Zeitschrift DreamMachines:
Besonders zugutehalten muss man der Zeitschrift DreamMachines, dass sie sich überhaupt öffentlich und ausgiebig mit diesem Thema auseinandersetzt. Andere Zeitschriften glänzen da eher durch vornehme Zurückhaltung. Da gilt wie immer: Nur wer nix macht, macht keine Fehler. Und natürlich spricht auch sehr für diese Zeitschrift, dass man sie ruhig im Zimmer liegen lassen kann, wenn Kinder anwesend sind. Und dass man nicht in den Ruf gerät, nur eine Rubbelvorlage gekauft zu haben...
Links:
Wozu die Fähigkeit, ruckelfrei bei niedriger Drehzahl anfahren zu können, auch gut ist, sieht man übrigens hier:
http://www.youtube.com/watch?v=99KKx7cB-Ok&feature=related
http://www.youtube.com/watch?v=FdnuzJue8cI&feature=related
https://www.ridelikeapro.com/online-videos/dvds
Redaktion DreamMachines:
Ich hatte bei der Redaktion angefragt, ob ich den betreffenden Artikel als PDF hier reinstellen kann. Diese Anfrage wurde leider abschlägig beurteilt. So bleibt dem Interessierten nur die Möglichkeit, beim verlag wegen einer Kopie des Artikels bzw. der Ausgabe nachzufragen.
© 2010, Peter Viczena
DREAM-MACHINES
Ergebniss1: Mit offenem Auspuff und Luftfilter kann man aus einem neueren Twincam Motor 12PS Mehrleistung herausholen.
Ergebniss2: Keine der getestete Motortuning Komponenten (PowerCommander, Mastertune und Harley SuperTuner) brachte auf dem Motorprüfstand ein besseres Ergebniss wie die ursprüngliche Harley Programmierung.
Im folgenden werde ich mich mit Ergebniss2 beschäftigen, da Ergebniss1 zu erwarten war...
Der Test der Dreammachine war interessant, aber halbgar. Natürlich spielt neben der Leistung auch eine Rolle, wie die Gasannahme ist. Und das generelle Laufverhalten im Teillastbereich. Es wäre interessant gewesen, neben den reinen Leistungsprüfstandsdaten auch den jeweiligen AFR (Lambda) Wert zu messen. Dann hätte man sehen können, wo und wie die Lambdasonden regeln. Oder auch nicht...
Die Laufruhe und das dynamische Ansprechverhalten der Maschine hängt in erster Linie davon ab, wie gut die Werte für den Luftdurchsatz (VE Table), die in der EFI einprogrammiert sind, mit den tatsächlichen Werten (die sich bei Umbau von Auspuff/Luftfilter teils erheblich ändern können) übereinstimmen. Demnach ist dieser Abgleich immer der erste Schritt, wenn man die Einspritzanlage professionell tunen will. Das kann auf einem Prüfstand gemacht werden, oder auf der Strasse.
Es gibt auch Systeme, die sich selber Tunen (Autotune). Diese Systeme haben ihre eigenen Probleme. Wenn man keinen Prüfstand zur Verfügung hat, kann man durch eine Messfahrt zusammen mit den Programmen TTS Mastertune, VTune und den eingebauten Lambdasonden die VE-Tables einmessen und dadurch relativ exakt anpassen. Wie das genau geht, werde ich in einem anderen Artikel beschreiben.
Sofern also die VE Tables richtig geeicht sind und man dann im Teillastbereich bis etwa 3500 RPM auf Closed Loop stellt, bekommen die Zylinder bereits fast immer die ideale Einspritzmenge, und die Lambdaregelung muss nur noch wenig eingreifen. DAS bringt Dynamik und Laufruhe. Und auch einen moderaten Spritverbrauch auf Reisen.
Die EFI intern
Was viele nicht wissen: Eigentlich bräuchte man überhaupt keine Lambdasonden, wenn die VE Table der EFI richtig eingestellt ist. Wenn man aber (wie die Factory) immer dieselbe Programmierung verwendet, dann hilft die Lambdasonde, Fahrzeugunterschiede, Spritqualitäten etc auszugleichen. Das ist aber auch alles. Wir haben keinen 3-Wege Kat wie die modernen Autos, die immer auf einem AFR von 14,6 (Lambda=1) bestehen. Und die Harley hat auch keinen Luftmassensensor, der für eine echte 3-Wege Regelung nötig wäre. Und wir Endverbraucher müssen auch nicht immer und unter allen Umständen Californische Abgasgesetze erfüllen, so wie die Factory.
Die Lambdsonden-Regelung braucht teilweise mehr als 2 Sekunden (bei groben Ungleichgewichten auch noch länger), bevor sie mit einer verwertbaren Meldung reagiert. Je näher man also durch die richtigen VE-Table Werte an der optimalen Einspritzmenge dran ist, desto geringer ist die Chance, jeweils sekundenlang ein deutlich zu mageres (oder zu fettes) Gemisch zu fahren.
Erkennen kann man das, indem man für die VTune Messfahrt einen kleinen, externen USB Monitor am Lenker installiert. Dann sehe ich nicht nur, welche Bereiche der VE-Table ich bereits mit genügend Daten gefüttert habe und welche nicht. Ich sehe auch, wann und wie die jeweiligen Lambdasensoren reagieren.
Um einzuschätzen, was das für die EFI bedeutet jetzt noch eine kleine Beschreibung der Funktion. Die EFI schaut in der AFR Tafel nach, wieviel Treibstoff bei der aktuellen Drehzahl und der Manifold Pressure (übersetzt mit aktueller Belastung) gerade eingespritzt werden soll. Dann schaut die EFI in die VE Tafel des jeweiligen Zylinders wieviel Luft die Maschine bei der aktuellen Drehzahl transportieren kann. Luftmenge und Treibstoffmenge ergeben im Idealfall schonmal eine explosionsfähiges Gemisch, mit dem der Motor laufen könnte. Aber da wird noch nachkorrigiert, um Umwelteinflüsse oder Fahrdynamik auszugleichen:
Erstmal wird in die Korrekturtafeln für die Temperatur und den barometrischen Luftdruck geschaut. Diese Tafeln können den Einspritzwert um +-10% verschieben. Sie ändert sich nur sehr langsam. Wie das Wetter :-)
Zudem gibt es noch eine Adaptive Fuel Value Table (AFV), die für den Benutzer/Programmierer nicht offengelegt ist. In dieser werden langfristig ermittelte Korrekturwerte abgelegt, die durch die Lambdasonden gemessen werden. Für die Bereiche, in denen die Lambdasonden nicht arbeiten (Open Loop, >3500 rpm) werden diese Werte einfach interpoliert/geschätzt. Es scheint so zu sein, als ob diese Tafel recht grob ist, also mehr oder weniger immer einen konstanten Wert über ein relativ grosses Drehzahlband hinweg liefert. Auf jeden Fall ist sie nicht so fein wie die AFR Table; es gibt nicht für jede AFR Zelle auch eine AFV Korrekturzelle. Es handelt sich nur um 24 AFV-Korrekturzellen pro Zylinder, aber etwa 4x soviele AFR-Zellen, die für eine Nachregelung in Frage kämen. Deshalb kann dieser Mechanismus auch nicht als Autotune Feature angesehen werden. Ausserdem wirkt die AFV Tabelle direkt auf die VE-Table und nicht auf die AFR-Tabelle, um die Einspritzwerte zu korrigieren.
Dieser Speicher wird bei einem Reflashen der EFI gelöscht, genauso wie bei 24h ohne Batterie. Während der Fahrzeit werden ständig Korrekturwerte in diese Tabelle geschrieben, die dann zum Beispiel die Einspritzmenge um 5% im gesamten Drehzahlband erhöht. Es ist unbekannt, um wieviel diese Tafel die Einspritzmenge absolut beeinflussen kann.
Wenn man gerade beschleunigt oder verzögert, werden noch die Werte aus der Accelleration/Decelleration Table addiert/subtrahiert. Wenn der Motor noch nicht warm ist, dann gibts einen Schuss Sprit aus der Warmup Tabelle.
Und zu guter letzt: wenn man sich über 4500 rpm befindet (PE Value, EFI konstante), dann wird der AFR über die Zeit hinweg kontinuierlich verringert, um eine Überhitzung des Motors zu vermeiden. Plus weitere Tabellen, die im Hintergrund für irgendwelche Fahrsituationen ihren Dienst tun und nicht offengelegt wurden.
Aus all diesen Informationen wird dann der nächste Schuss Treibstoff berechnet. Wenn der Motor mit 3000 UPM läuft, dann wird diese Berechnung 6000 Mal pro Minute durchgeführt, also 100 Mal pro Sekunde. Da sind dann 2 Sekunden, bis die Lambdasonde anspricht, eine kleine Ewigkeit.
Fazit: die Regelung der Lambdasonden ist generell sehr ungenau, da sie nur zum Ausgleich von Luftdruckunterschieden und kleinerer Fertigungsstreuungen am Luftsystem des Fahrzeugs konzipiert wurde. Und das Wetter ändert sich eben nicht alle Minuten. Starke Ungleichgewichte bei der tatsächlich angeforderten Luftmenge innerhalb des Drehzahlbandes (die genau zum klingeln, Patschen im Schiebebetrieb, ruckeln oder überhitzen führen) werden nur sehr träge und mühsam, falls überhaupt ausgeglichen.
Der DeamMachine Testaufbau
Die Zeitschrift Dreammachine hat bei ihrem Test auf dem Prüfstand offenbar einfach nur Vollgas gegeben. Eine typische Leistungs/Drehmomentmessung. Dabei sind einige der "Helferlein" in der EFI angesprungen die dafür sorgen, dass die AFR Werte nicht mehr bei 14,6 (Stöchiometrisch, etwa Normalwert bei Closed-Loop Betrieb), sondern bei etwa 13,2 bis 13,8 liegen. Dieser Wert kann nach 30 Sekunden auch bis auf AFR 12,0 runtergehen (siehe PE Table). Dieser Mechanismus sorgt dafür, das bei WOT (Wide Open Throttle, Vollgas) nochmal Kraftstoff eingespritzt wird, um eine Überhitzung des Motors zu verhindern.
Wenn man dagegen ganz normal fährt, dann läuft man im Teillastbereich auf der Lambda-Wunsch-AFR von 14,6 und ansonsten auf den voreingestellten AFR Sollwerten. Dieser Umstand (Misstand) führt dann zu den im Heft beschriebenen, eher bescheidenen Fahrverhalten im Teillastbereich bei der ursprünglichen Harley Programmierung.
Deshalb muss man eigentlich alle Zusatzfunktionen und Helferlein der EFI , welche das Gemisch ab/anreichern, abschalten, bevor man eine Prüfstandmessung macht. Sonst misst man irgendwas, nur nicht die tatsächliche Abstimmung. Und das ist offensichtlich bei dem Test passiert.
In der Physikvorlesung heisst das: Wer misst misst Mist...
Nur: wenn man die EFi-Helferlein abschalten will, geht das nur über die Neuprogrammierung der EFI mit einer anderen MAP, und damit ist die ursprüngliche Programmierung der Harley überschrieben. Und wieder würde man nicht die Originalprogrammierung messen, sondern die neue Map. Meines Wissens ist nicht bekannt, wie die original Harley Programmierung wirklich aussieht. Also kann man auch keine "helferlose" Version der HD-Map aufspielen. Böse Falle.
Das als Fazit des Testberichtes herauskam, dass kein anderes Tuningsystem eine bessere Drehmoment/Leistungskurve bei Vollgas bringt als HD (trotz massiver Anstrengungen), ist nicht weiter verwunderlich. Etwas anderes als die Originalprogrammierung, nämlich die Lambdasonden zu ignorieren und die Einspritzmenge von AFR 13,5 auf satte AFR 12,0 runterzudrehen, macht halt keiner. Simple as that...
Warum funktioniert dann die aktuelle Harley EFI Originalprogrammierung so viel besser mit einer getunten Auspuff/Luftfilter Kombo wie frühere Versionen?
Die EFI regelt über die Lambdasonden zwar etwas nach, falls die Luftmenge sich ändert. Aber die Nachregelung war (bisher) nur dafür gedacht, Luftdruckunterschiede und Fahrzeugtoleranzen auszugleichen. Wahrscheinlich ist der Nachregelbereich in der Adaptive Fuel Value Table jetzt etwas weiter geworden: es wurde sicherlich der Adaptionsbereich erhöht, also statt 5% jetzt vielleicht 10% maximale Änderung. Vielleicht gibt es jetzt auch mehrere errechnete Korrekturwerte für den OpenLoop Bereich, in dem die Lambdasonden nicht mehr arbeiten. Deshalb funktioniert jetzt auch ein neuer Auspuff und Luftfilter noch halbwegs. Betonung auf halbwegs. "Exakt" kann es systembedingt nur im Closed Loop Drehzahlbereich sein. Ausserhalb dessen lebt man sowieso nur mit einem festen Aufschlag.
Im normalen Fahrbetrieb läuft die Maschine grösstenteils im Teillastbereich (closed loop), d.h. durch die Lambdasonden gesteuert. Und nicht im ständigen Vollgasbetrieb. Ausserhalb des Closed Loop Bereiches, der normalerweise bis etwa 3500 RPM geht, kann es demnach trotz aller Lambda-Magie weiterhin sein, dass die Maschine zu mager läuft, da dort die Einspritzmenge direkt aus der VE Table errechnet wird und sich erfahrungsgemäss im Bereich von AFR 13,8 und (deutlich) niedriger halten sollte, um den Motor nicht zu überhitzen. Wenn da also die VE-Table nicht stimmt, wird das Gemisch zu mager oder zu fett berechnet.
Mit dem Mastertune kann man die EFI dazu bringen, im reine Closed loop Betrieb wie auch in allen anderen Drehzahlbereichen jederzeit optimal zu arbeiten. Die Nachregelung durch die Lambdasonden beschränkt sich dann nur noch auf Temperatur/Luftdruckunterschiede im Teillastbereich. Dadurch geschieht die Nachregelung naturgegeben schneller und präziser, falls sie überhaupt noch nötig ist. Und im Open Loop Betrieb werden die korrekten Einspritzwerte passend zur Drehzahl/Last errechnet, ohne auf einen globalen Korrekturfaktor angewiesen zu sein.
Die Factory hatte bei der Änderung der Maps übrigens nicht das Wohl des Endverbrauchers im Sinn. Vielmehr haben die US-Bikes erst seit 2010 alle einen Katalysator, was wohl zu einer "Katalysator-Optimierten" Einstellung der EFI geführt hat. Was zum (wohlbekannten) Umkehrschluss führt, dass Harley sich bisher nur "marginal" um das Fahrverhalten von Katalysatorfahrzeugen fürs Ausland und Californien geschert hat. Um es vorsichtig Auszudrücken.
Mein Fazit:
Man kann ab Baujahr 2010 den Auspuff/Luftfilter ändern, ohne gleich einen Motorkollaps durch massive Überhitzung fürchten zu müssen. Und der Motor klingelt auch nicht gleich wie eine Dose voller Kleingeld, wenn man im Hochsommer mal italienisches Normalbenzin tankt.
Ruckelfreis Fahren im unteren Drehzahlbereich, kühlerer Motorlauf und gleichmässiger Anzug erfordern jedoch weiterhin das Tunen der Einspritzanlage. Nach einem TTS Mastertuning kann ich vollbeladen bei 1200 RPM (knapp über Standgas) steile italienische Alpenpässe hochtrekkern. Und wenn ich dann Gas gebe, zieht die Fuhre sauber hoch. So habe ich mir Harley fahren immer vorgestellt.
Die Zeitschrift DreamMachines:
Besonders zugutehalten muss man der Zeitschrift DreamMachines, dass sie sich überhaupt öffentlich und ausgiebig mit diesem Thema auseinandersetzt. Andere Zeitschriften glänzen da eher durch vornehme Zurückhaltung. Da gilt wie immer: Nur wer nix macht, macht keine Fehler. Und natürlich spricht auch sehr für diese Zeitschrift, dass man sie ruhig im Zimmer liegen lassen kann, wenn Kinder anwesend sind. Und dass man nicht in den Ruf gerät, nur eine Rubbelvorlage gekauft zu haben...
Links:
Wozu die Fähigkeit, ruckelfrei bei niedriger Drehzahl anfahren zu können, auch gut ist, sieht man übrigens hier:
http://www.youtube.com/watch?v=99KKx7cB-Ok&feature=related
http://www.youtube.com/watch?v=FdnuzJue8cI&feature=related
https://www.ridelikeapro.com/online-videos/dvds
Redaktion DreamMachines:
Ich hatte bei der Redaktion angefragt, ob ich den betreffenden Artikel als PDF hier reinstellen kann. Diese Anfrage wurde leider abschlägig beurteilt. So bleibt dem Interessierten nur die Möglichkeit, beim verlag wegen einer Kopie des Artikels bzw. der Ausgabe nachzufragen.
© 2010, Peter Viczena
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