Bevor man mit dem Tuning des Bikes anfängt, sollte man besser ein paar Grundlagen verstehen. Wie die Mechanismen sind, damit wir mehr Sprit in den Zylinder und damit mehr Leistung auf die Strasse bekommen. Entscheidend ist dabei das Wissen um die verschiedenen Tabellen, die in der EFi hinterlegt sind und deren Funktion steuern. Am wichtigsten sind die VE Tabelle und die AFR Tabelle. Beide haben direkten Einfluss auf die eingespritzte Benzinmenge, funktionieren aber komplett unterschiedlich.
VE Tabelle
Die Bezeichnung VE steht für Volumetric Efficiency. Diese Tabelle bestimmt, wie die EFI die aktuelle Luftmenge pro Zylinderfüllung berechnet. Sie ist also eine numerische Darstellung, wieviel Luft der Motor bei verschiedenen Drehzahlen einsaugt. Diese Luftmenge ist nicht bei allen Drehzahlen gleich. Der Motor funktioniert wie eine komplexe Luftpumpe. Dabei kommt es zu Schwingungseffekte wie bei einer Orgel. Die Einflussfaktoren sind vielfältig: Luftfilter, Länge des Ansaugweges, Hubraum, Nockenwellen, Auspuff...
Wenn eine neue Maschine ausgeliefert wird, dann ist in der EFI auch die passende VE Tabelle gespeichert. Das Werk hat sie durch Messung mit einem Probemotor ermittelt. Hier mal ein Beispiel, wie so eine Tabelle aussieht:

In der linken Spalte steht die Drehzahl, in der oberen Zeile die Position des Gasdrehgriffs (Throttle Position) in Prozent. Das da nicht der Druck im Manifold (MAP) steht (wie bei modernen Einspritzanlagen üblich), hat historische Gründe. Es geht auf die alten Magneti Marelli Einspritzanlagen zurück, die noch mit dem Alpha-N Verfahren gearbeitet hat, bei dem die Stellung des Gasgriffs der Massgebliche Faktor ist. Die neuere Delphi Einspritzanlage arbeitet mit dem Speed Density Verfahren, das den Unterdruck im Manifold (und damit die Belastung des Motors) als bestimmenden Faktor verwendet, um die Luftmenge zu berechnen. Trotzdem hat Harley die alte VE Tabelle bei der Umstellung auf Delphi Einspritzanlage beibehalten, da sie damals nicht die ganze Wartungssoftware umstellen wollten. http://g-homeserver.com/harley-david...C3%A4nder.html
In dieser Tabelle stehen (nur in diesem Beispiel) Werte von 54,5 bis 104,0. Diese Werte geben an, wieviel Luft eingesaugt wird. Nehmen wir mal an, der Wert 100 würde angeben, dass bei einem Ansaugvorgang genau die Menge an Luft eingesaugt wird, die dem Hubraum der Maschine entspricht. Also zum Beispiel 44 cui (die Hälfte von 88 cui, da es nur einen Zylinder betrifft). Dann sieht man, das dieser Motor bei einer Gasgriffstellung von 10 Prozent und einer Drehzahl von 3000 Umdrehungen nur 71,5 Prozent der möglichen Luftmenge einsaugen würde. Also nur rund 2/3 der theoretisch möglichen Menge. Wenn die EFI immer dieselbe Benzinmenge einspritzen würde, wäre das Gemisch total überfettet, da zu wenig Luft zum Verbrennen im Zylinder ist. Die EFI muss also die entsprechende Benzinmenge herunterrechnen. Also einfach 28,5 Prozent weniger Sprit einspritzen, um ein konstantes Mischungsverhältniss zu erreichen.
Andererseits steht bei 25 Prozent offenem Gasdrehgriff und 3000 Umdrehungen der VE-Wert bei 104. Das ist mehr als 100. Wie kann es sein, dass mehr Luft im Zylinder ist, als eigentlich bei Normaldruck reinpasst? Ein Motor ist wie eine Orgel. Und die hat bestimmte Schwingungen (Drehzahlen), bei denen der Klang besonders laut ist. Das nennt man positive Interferenz. Die hin- und herschwingenden Druckwellen im Auspuff sind dann gerade so schnell, dass sie zum Zeitpunkt, an dem das Auslassventil öffnet, einen Unterdruck am Auslass erzeugen, der Frischluft aktiv einsaugt. Und zwar mehr als normal reingeht. Also muss die EFI auch entsprechend mehr (genau 4% mehr) Benzin einspritzen. Da gibt es dann richtig Drehmoment. Oder einen kräftigen Bumms bei der Verbrennung, was dasselbe ist.
Diese Bereiche sind bei Motorenentwicklern natürlich sehr beliebt. Das ist wie ein Turbolader ohne Turbo. Um diesen Bereich der "Überfüllung" zu erweitern, werden diverse technische Tricks in Automobile eingebaut. Zum Beispiel ändert sich die Länge des Ansaugtraktes zusammen mit der Drehzahl (VW). Damit wandert dieser Überfüllungspunkt mit. Das ergibt eine merklich Steigerung des Drehmomentes über das gesamte Drehzahlband. Harleys haben das nicht, aber zum Beispiel die legendäre Yamaha V-MAX. Näheres hier:
Wenn der geneigte Leser Änderungen an der Maschine anbringt, welche die Leistung steigern oder auch nur die Strömungsverhältnisse im Motor ändern, dann stimmt diese Tabelle natürlich nicht mehr. Das kann zum Beispiel durch einen neuen Lufi und Auspuff passieren. Auch eine andere Nockenwelle oder geänderte Einspritzdüsen können die Tabelle ändern. Und zu guter letzt führen auch die Streuung in der Motorenfertigung dazu, dass die werksmässig ausgemessene VE-Tabelle nicht mehr perfekt passt. Sogar die minimalen Strömungsunterschiede zwischen vorderem und hinterem Zylinder führen dazu, dass sich die jeweiligen VE-Tabellen für vorderen und hinteren Zylinder deutlich unterscheiden. Deshalb gibt es auch für jeden Zylinder eine eigene VE-Tabelle.
Sind die angebrachten Veränderungen klein, dann können die Differenzen durch die eingebauten Lambdasonden ausgeglichen werden. Hat man gar keine Lambdasonden oder ist die Änderung gravierend (offener Lufi und Auspuff), dann funktioniert die einprogrammierte VE-Tabelle oft gar nicht mehr.
Das betrifft weniger den Vollgas-Fall, denn da wird sowieso immer mehr als genug Benzin eingespritzt, um den Motor zusätzlich zu kühlen. Im Teillastbereich (zwischen 2000 und 3500 rpm) dagegen kommt es vor, dass der Motor ungleichmässig läuft (Magerruckeln), beim Gaswegnehmen patscht und knallt und die erwartete Leistung nicht am Hinterrad ankommt. Das liegt dann daran, das die VE Tabelle der EFI eine falsche Luftmenge vorgaukelt. Üblicherweise befindet sich dann tatsächlich mehr Luft im Zylinder als in der Tabelle angegeben. Dadurch ist das entstehende Gemisch zu dünn. Und der richtige Bumms bleibt aus.
AFR Tabelle
Das ist die zweite wichtige Tabelle. AFR steht für Air Fuel Ratio. Also das Verhältniss zwischen Luft und Benzin. AFR 14 bedeutet, dass Luft und Benzin im Verhältniss 14:1 stehen. Also 14 Mal mehr Luft als Benzin. Dadurch ergibt sich ein explosives Gemisch. In der AFR Tabelle bestimmen wir, welches Luftgemisch wir bei welcher Drehzahl gerne im Zylinder hätten. Entweder Fett oder Mager. Also das gewünschte Mischungsverhältniss zwischen Luft und Benzin. Diese Tabelle gibt es (im Gegensatz zur VE Tabelle) nur einmal, da diese Einstellung für den ganzen Motor gilt.
Ideal für die Verbrennung ist das sogenannte stöchiometrische Verhältniss. Das ist eine AFR von 14,6. Das ist auch der Zielwert aller Umweltschützer, da bei dieser AFR die Verbrennung so vollkommen ist, das nur minimal wenig Abgase erzeugt werden. Der Nachteil ist, dass bei diesem Wert auch der Motor sehr heiss läuft und nicht die Maximale Leistung abgibt.
Das maximale Drehmoment entwickelt der Motor bei AFR 13,2. Wenn man die ganze AFR Map darauf (oder tiefer) einstellt, darf man sich auf hohe Verbräuche freuen. Also auch nicht so witzig. Deshalb ist eine gute AFR Tabelle immer eine Abstimmung auf die persönlichen Verhältnisse. Am Besten sparsam im Teillastbetrieb, kraftvoll beim Aufreissen des Gasgriffs. Eine nähere Diskussion dieses Themas findet sich hier: http://g-homeserver.com/harley-david...r-tabelle.html
Hier mal ein Beispiel, wie eine meiner AFR Tabellen aussieht. Links die Drehzahl, oben der Unterdruck im Manifold (MAP). Je grösser der Wert, desto höher belastet ist der Motor. Im Leerlauf liegt der Map Wert bei 40kPa, im Schiebebetrieb bei 20kPa. Dort wo 14,6 in der Tabelle steht, geschieht die Steuerung des Motors über die Lambdasonden (Closed Loop), bei anderen Werten werden die Lambdasensoren abgeschaltet (Open Loop). Dann wird wird die Benzinmenge ausschliesslich aus der VE- und der AFR-Tabelle berechnet. Um so wichtiger ist es also, dass die VE Tabelle passt.
Dies war jetzt nur eine kurze Beschreibung der AFR-Grundlagen. Im nächsten Kapitel beschreibe ich die AFR Tabelle ausführlicher.

Autotune Wideband
Wie kommt man an eine angepasste VE Tabelle? Man muss den aktuellen Motor genauso ausmessen, wie es das Werk damals gemacht hat. Dafür braucht man Lambdasonden die messen, wie gut die Verbrennung bei gegebener Drehzahl ist. Die Lambasonden erzeugen eine Spannung aus der man ableiten kann, wie hoch der aktuelle AFR Wert des Gemischs ist.
Es gibt zwei unterschiedliche Typen von Lambdasensoren. Die sogenannten Wideband Sensoren und die Smallband (oder auch Switching) Sensoren, wie sie standardmässig in den neueren Harleys verbaut sind. Näheres findet sich hier:
Die erste Option ist ein Tuning mit Wideband Lambdasensoren. Die haben den Vorteil, dass sie alle AFR Werte von 8,0 bis 20,0 kontinuierlich durchmessen können. Um so eine Messung durchführen zu können, braucht man natürlich spezielle Hardware. Zum Beispiel das Autotune Kit von Dynojet. Man installiert die Lambdasensoren, schliesst das Autotune Kit an und macht Messfahrten in möglichst verschiedenen Drehzahlbereichen.
Die gemessenen AFR Werte werden dann mit den vorgegebenen Werten in der AFR Tabelle verglichen. Wenn der gemessene AFR Wert und der theoretische Wert übereinstimmen, dann stimmt auch die angegebene Luftmenge in der VE-Tabelle. Misst die Lambdasonde einen höheren AFR Wert, dann ist das tatsächliche Gemisch zu dünn. Es ist also mehr Luft im Zylinder als vermutet. Man muss also das entsprechende Feld in der VE Tabelle raufsetzen.
Wird umgekehrt ein niedrigerer AFR Wert gemessen, muss der Tabelleneintrag nach unten korrigiert werden. Diese Berechnungen werden üblicherweise mit einer speziellen Software durchgeführt, sind aber relativ simpel.
Bei Maschinen, die keine werksseitig eingebaute Lambasonden haben, ist die Messung mit Wideband Sensoren die einzige Möglichkeit, zu einer passenden VE Tabelle zu kommen. Zur Installation der Lambdasensoren muss dann vorne und hinten je ein 18mm Gewinde (Bungs) in den Krümmer eingeschweisst werden, die nach der Messung durch Schraubdeckel verschlossen werden. Das würde übrigens auch für Vergasermaschinen gelten. Auch da wäre die Messung mit Lamdasensoren die einzige Möglichkeit, die richtige Kombination der Düsen und der Vergasernadel zu ermittlen
Autotune Smallband
Wer schon die normalen Switching Lambdas am Bike hat, wie sie von Harley serienmässig verbaut werden, der kann auch damit eine Messung durchführen. Diese Sensoren haben die Eigenart, dass sie nur angeben, ob das Gemisch gleich, über oder unter AFR 14,6 ist (stöchiometrisches Gleichgewicht). Sie haben also eine schaltende Charakteristik, daher der Name.
Um damit eine Messung durchzuführen, wird für die Zeit der Messung jedes Feld der AFR Tabelle auf 14,6 gestellt. Dann fährt man mit dieser Einstellung in allen Drehzahlbereichen. Die Mechanik der Lambdasonden versucht nun, durch Gemischanreicherung/Abreicherung den gewünschten AFR von 14,6 herzustellen. Wenn man den Betrag sieht, um welchen die Lambdas korrigieren mussten, kann man aus diesen Werten auch wieder den korrekten Eintrag in der VE-Tabelle berechnen. Denn nur bei diesem müssten die Lambdasensoren überhaupt nix korrigieren.
Dieses Messverfahren für Smallband Lambdas gibt es auch beim TTS und beim SERT. Der Vorteil beim PowerVision ist, dass das kleine Display alle Einstellungen und Berechnungen intern durchführt. Es ist also kein extra PC-Programm notwendig, um die aufgezeichneten Werte zu berechnen und auf dem heimischen Computer daraus eine neue VE Tabelle zu berechnen.
Tuning mit PowerVision
Der PV kann beide oben besprochenen VE-Tuning Versionen. In der Profi Einstellung braucht man ein externes Autotune Kit mit Wideband Lambda Sensoren. Dann errechnet der PV die richtige VE Tabelle aus den Daten der Wideband Sensoren. In der Basic Version macht der PV die oben beschriebene (kurzfristige) Umstellung der AFR Tabelle und die notwendigen Messungen und Berechnungen, um mit den eingebauten Lambda Sensoren die richtige VE Tabelle zu bestimmen. Das geschieht unauffällig im Hintergrund, und der Anwender bekommt von den teilweise recht komplexen Vorträgen nur wenig mit. Ich werde beide Versionen in jeweils einem eigenen Kapitel besprechen.
Die Ermittlung der neuen VE-Tabelle wird übrigens jedesmal aufs Neue fällig, wenn man einen neuen Lufi einbaut oder den Auspuff ändert. Bei verstellbaren Auspuffanlagen wird mit offener Klappe gemessen. Um so schöner ist es dann, dass der PV diese Aufgabe schnell und ohne zusätzlichen Aufwand erledigt. Beim TTS bin ich oft ein Jahr mit der alten VE Tabelle weitergefahren, weil ich den Aufwand (Laptop im TopCase, USB Monitor vorne, Software bedienen...) schlicht gescheut habe.
Die korrekte Ermittlung der VE-Tabelle ist aber nur die eine Hälfte des Tuning Vorgangs. Wenn man endlich die passende VE Table für sein Bike hat muss man dem System auch noch sagen, wie man die AFR Tabelle eingestellt haben will. Zudem gibt es Abhängig vom Baujahr auch noch weitere Tabellen. Zum Beispiel für die Zündvorverstellung. Dafür wird es einen dritten Artikel geben.
Tuning auf dem Prüfstand
Bisher gehe ich davon aus, dass man das Tuning auf der Strasse macht. Also bei verschiedenen Drehzahlen und Gasgriffpositionen so lange fährt, bis genügend Messpunkte vorhanden sind. Das kann auf öffentlichen Strassen schwierig werden. Besser wäre es, man könnte alle Fahrzustände auf einem gebremsten Rollenprüfstand abfahren. Das dauert aber und ist nicht unter rund 400,- Euros zu haben. Die Firma HOT, House of Thunder bietet diese Dienstleistung nach eigenen Angaben für 250,- Euros an. Welchen Umfang und welche Dauer der Prüfstandlauf bei diesem Preis hat, kann ich nicht sagen.
Meist beschränken sich die bekannten Prüfstandangebote auf eine Vollgasfahrt vor dem Tuning und eine Vollgasfahrt nach dem Tuning. Was aber nicht sonderlich aussagekräftig für den täglichen Betrieb im Teillastbereich ist. Dafür müsste man mehr und umfangreicher testen. Also entweder man bezahlt viel Geld, oder man verwendet genügend Zeit darauf, auf der Strasse Bergauf- und Bergab zu fahren, um möglichst viele Zellen der VE-Tabelle zu erfassen.
Weil das Tunen der VE Tabelle mit dem PV relativ einfach ist, kann man so auch mal die Qualität einer Prüfstand-generierten Map testen. Wenn die Abweichungen im normalen Fahrbetrieb gering sind, dann war die Abstimmung gut.
© 2013, Peter Viczena
VE Tabelle
Die Bezeichnung VE steht für Volumetric Efficiency. Diese Tabelle bestimmt, wie die EFI die aktuelle Luftmenge pro Zylinderfüllung berechnet. Sie ist also eine numerische Darstellung, wieviel Luft der Motor bei verschiedenen Drehzahlen einsaugt. Diese Luftmenge ist nicht bei allen Drehzahlen gleich. Der Motor funktioniert wie eine komplexe Luftpumpe. Dabei kommt es zu Schwingungseffekte wie bei einer Orgel. Die Einflussfaktoren sind vielfältig: Luftfilter, Länge des Ansaugweges, Hubraum, Nockenwellen, Auspuff...
Wenn eine neue Maschine ausgeliefert wird, dann ist in der EFI auch die passende VE Tabelle gespeichert. Das Werk hat sie durch Messung mit einem Probemotor ermittelt. Hier mal ein Beispiel, wie so eine Tabelle aussieht:
In der linken Spalte steht die Drehzahl, in der oberen Zeile die Position des Gasdrehgriffs (Throttle Position) in Prozent. Das da nicht der Druck im Manifold (MAP) steht (wie bei modernen Einspritzanlagen üblich), hat historische Gründe. Es geht auf die alten Magneti Marelli Einspritzanlagen zurück, die noch mit dem Alpha-N Verfahren gearbeitet hat, bei dem die Stellung des Gasgriffs der Massgebliche Faktor ist. Die neuere Delphi Einspritzanlage arbeitet mit dem Speed Density Verfahren, das den Unterdruck im Manifold (und damit die Belastung des Motors) als bestimmenden Faktor verwendet, um die Luftmenge zu berechnen. Trotzdem hat Harley die alte VE Tabelle bei der Umstellung auf Delphi Einspritzanlage beibehalten, da sie damals nicht die ganze Wartungssoftware umstellen wollten. http://g-homeserver.com/harley-david...C3%A4nder.html
In dieser Tabelle stehen (nur in diesem Beispiel) Werte von 54,5 bis 104,0. Diese Werte geben an, wieviel Luft eingesaugt wird. Nehmen wir mal an, der Wert 100 würde angeben, dass bei einem Ansaugvorgang genau die Menge an Luft eingesaugt wird, die dem Hubraum der Maschine entspricht. Also zum Beispiel 44 cui (die Hälfte von 88 cui, da es nur einen Zylinder betrifft). Dann sieht man, das dieser Motor bei einer Gasgriffstellung von 10 Prozent und einer Drehzahl von 3000 Umdrehungen nur 71,5 Prozent der möglichen Luftmenge einsaugen würde. Also nur rund 2/3 der theoretisch möglichen Menge. Wenn die EFI immer dieselbe Benzinmenge einspritzen würde, wäre das Gemisch total überfettet, da zu wenig Luft zum Verbrennen im Zylinder ist. Die EFI muss also die entsprechende Benzinmenge herunterrechnen. Also einfach 28,5 Prozent weniger Sprit einspritzen, um ein konstantes Mischungsverhältniss zu erreichen.
Andererseits steht bei 25 Prozent offenem Gasdrehgriff und 3000 Umdrehungen der VE-Wert bei 104. Das ist mehr als 100. Wie kann es sein, dass mehr Luft im Zylinder ist, als eigentlich bei Normaldruck reinpasst? Ein Motor ist wie eine Orgel. Und die hat bestimmte Schwingungen (Drehzahlen), bei denen der Klang besonders laut ist. Das nennt man positive Interferenz. Die hin- und herschwingenden Druckwellen im Auspuff sind dann gerade so schnell, dass sie zum Zeitpunkt, an dem das Auslassventil öffnet, einen Unterdruck am Auslass erzeugen, der Frischluft aktiv einsaugt. Und zwar mehr als normal reingeht. Also muss die EFI auch entsprechend mehr (genau 4% mehr) Benzin einspritzen. Da gibt es dann richtig Drehmoment. Oder einen kräftigen Bumms bei der Verbrennung, was dasselbe ist.
Diese Bereiche sind bei Motorenentwicklern natürlich sehr beliebt. Das ist wie ein Turbolader ohne Turbo. Um diesen Bereich der "Überfüllung" zu erweitern, werden diverse technische Tricks in Automobile eingebaut. Zum Beispiel ändert sich die Länge des Ansaugtraktes zusammen mit der Drehzahl (VW). Damit wandert dieser Überfüllungspunkt mit. Das ergibt eine merklich Steigerung des Drehmomentes über das gesamte Drehzahlband. Harleys haben das nicht, aber zum Beispiel die legendäre Yamaha V-MAX. Näheres hier:
Wenn der geneigte Leser Änderungen an der Maschine anbringt, welche die Leistung steigern oder auch nur die Strömungsverhältnisse im Motor ändern, dann stimmt diese Tabelle natürlich nicht mehr. Das kann zum Beispiel durch einen neuen Lufi und Auspuff passieren. Auch eine andere Nockenwelle oder geänderte Einspritzdüsen können die Tabelle ändern. Und zu guter letzt führen auch die Streuung in der Motorenfertigung dazu, dass die werksmässig ausgemessene VE-Tabelle nicht mehr perfekt passt. Sogar die minimalen Strömungsunterschiede zwischen vorderem und hinterem Zylinder führen dazu, dass sich die jeweiligen VE-Tabellen für vorderen und hinteren Zylinder deutlich unterscheiden. Deshalb gibt es auch für jeden Zylinder eine eigene VE-Tabelle.
Sind die angebrachten Veränderungen klein, dann können die Differenzen durch die eingebauten Lambdasonden ausgeglichen werden. Hat man gar keine Lambdasonden oder ist die Änderung gravierend (offener Lufi und Auspuff), dann funktioniert die einprogrammierte VE-Tabelle oft gar nicht mehr.
Das betrifft weniger den Vollgas-Fall, denn da wird sowieso immer mehr als genug Benzin eingespritzt, um den Motor zusätzlich zu kühlen. Im Teillastbereich (zwischen 2000 und 3500 rpm) dagegen kommt es vor, dass der Motor ungleichmässig läuft (Magerruckeln), beim Gaswegnehmen patscht und knallt und die erwartete Leistung nicht am Hinterrad ankommt. Das liegt dann daran, das die VE Tabelle der EFI eine falsche Luftmenge vorgaukelt. Üblicherweise befindet sich dann tatsächlich mehr Luft im Zylinder als in der Tabelle angegeben. Dadurch ist das entstehende Gemisch zu dünn. Und der richtige Bumms bleibt aus.
AFR Tabelle
Das ist die zweite wichtige Tabelle. AFR steht für Air Fuel Ratio. Also das Verhältniss zwischen Luft und Benzin. AFR 14 bedeutet, dass Luft und Benzin im Verhältniss 14:1 stehen. Also 14 Mal mehr Luft als Benzin. Dadurch ergibt sich ein explosives Gemisch. In der AFR Tabelle bestimmen wir, welches Luftgemisch wir bei welcher Drehzahl gerne im Zylinder hätten. Entweder Fett oder Mager. Also das gewünschte Mischungsverhältniss zwischen Luft und Benzin. Diese Tabelle gibt es (im Gegensatz zur VE Tabelle) nur einmal, da diese Einstellung für den ganzen Motor gilt.
Ideal für die Verbrennung ist das sogenannte stöchiometrische Verhältniss. Das ist eine AFR von 14,6. Das ist auch der Zielwert aller Umweltschützer, da bei dieser AFR die Verbrennung so vollkommen ist, das nur minimal wenig Abgase erzeugt werden. Der Nachteil ist, dass bei diesem Wert auch der Motor sehr heiss läuft und nicht die Maximale Leistung abgibt.
Das maximale Drehmoment entwickelt der Motor bei AFR 13,2. Wenn man die ganze AFR Map darauf (oder tiefer) einstellt, darf man sich auf hohe Verbräuche freuen. Also auch nicht so witzig. Deshalb ist eine gute AFR Tabelle immer eine Abstimmung auf die persönlichen Verhältnisse. Am Besten sparsam im Teillastbetrieb, kraftvoll beim Aufreissen des Gasgriffs. Eine nähere Diskussion dieses Themas findet sich hier: http://g-homeserver.com/harley-david...r-tabelle.html
Hier mal ein Beispiel, wie eine meiner AFR Tabellen aussieht. Links die Drehzahl, oben der Unterdruck im Manifold (MAP). Je grösser der Wert, desto höher belastet ist der Motor. Im Leerlauf liegt der Map Wert bei 40kPa, im Schiebebetrieb bei 20kPa. Dort wo 14,6 in der Tabelle steht, geschieht die Steuerung des Motors über die Lambdasonden (Closed Loop), bei anderen Werten werden die Lambdasensoren abgeschaltet (Open Loop). Dann wird wird die Benzinmenge ausschliesslich aus der VE- und der AFR-Tabelle berechnet. Um so wichtiger ist es also, dass die VE Tabelle passt.
Dies war jetzt nur eine kurze Beschreibung der AFR-Grundlagen. Im nächsten Kapitel beschreibe ich die AFR Tabelle ausführlicher.
Autotune Wideband
Wie kommt man an eine angepasste VE Tabelle? Man muss den aktuellen Motor genauso ausmessen, wie es das Werk damals gemacht hat. Dafür braucht man Lambdasonden die messen, wie gut die Verbrennung bei gegebener Drehzahl ist. Die Lambasonden erzeugen eine Spannung aus der man ableiten kann, wie hoch der aktuelle AFR Wert des Gemischs ist.
Es gibt zwei unterschiedliche Typen von Lambdasensoren. Die sogenannten Wideband Sensoren und die Smallband (oder auch Switching) Sensoren, wie sie standardmässig in den neueren Harleys verbaut sind. Näheres findet sich hier:
Die erste Option ist ein Tuning mit Wideband Lambdasensoren. Die haben den Vorteil, dass sie alle AFR Werte von 8,0 bis 20,0 kontinuierlich durchmessen können. Um so eine Messung durchführen zu können, braucht man natürlich spezielle Hardware. Zum Beispiel das Autotune Kit von Dynojet. Man installiert die Lambdasensoren, schliesst das Autotune Kit an und macht Messfahrten in möglichst verschiedenen Drehzahlbereichen.
Die gemessenen AFR Werte werden dann mit den vorgegebenen Werten in der AFR Tabelle verglichen. Wenn der gemessene AFR Wert und der theoretische Wert übereinstimmen, dann stimmt auch die angegebene Luftmenge in der VE-Tabelle. Misst die Lambdasonde einen höheren AFR Wert, dann ist das tatsächliche Gemisch zu dünn. Es ist also mehr Luft im Zylinder als vermutet. Man muss also das entsprechende Feld in der VE Tabelle raufsetzen.
Wird umgekehrt ein niedrigerer AFR Wert gemessen, muss der Tabelleneintrag nach unten korrigiert werden. Diese Berechnungen werden üblicherweise mit einer speziellen Software durchgeführt, sind aber relativ simpel.
Bei Maschinen, die keine werksseitig eingebaute Lambasonden haben, ist die Messung mit Wideband Sensoren die einzige Möglichkeit, zu einer passenden VE Tabelle zu kommen. Zur Installation der Lambdasensoren muss dann vorne und hinten je ein 18mm Gewinde (Bungs) in den Krümmer eingeschweisst werden, die nach der Messung durch Schraubdeckel verschlossen werden. Das würde übrigens auch für Vergasermaschinen gelten. Auch da wäre die Messung mit Lamdasensoren die einzige Möglichkeit, die richtige Kombination der Düsen und der Vergasernadel zu ermittlen
Autotune Smallband
Wer schon die normalen Switching Lambdas am Bike hat, wie sie von Harley serienmässig verbaut werden, der kann auch damit eine Messung durchführen. Diese Sensoren haben die Eigenart, dass sie nur angeben, ob das Gemisch gleich, über oder unter AFR 14,6 ist (stöchiometrisches Gleichgewicht). Sie haben also eine schaltende Charakteristik, daher der Name.
Um damit eine Messung durchzuführen, wird für die Zeit der Messung jedes Feld der AFR Tabelle auf 14,6 gestellt. Dann fährt man mit dieser Einstellung in allen Drehzahlbereichen. Die Mechanik der Lambdasonden versucht nun, durch Gemischanreicherung/Abreicherung den gewünschten AFR von 14,6 herzustellen. Wenn man den Betrag sieht, um welchen die Lambdas korrigieren mussten, kann man aus diesen Werten auch wieder den korrekten Eintrag in der VE-Tabelle berechnen. Denn nur bei diesem müssten die Lambdasensoren überhaupt nix korrigieren.
Dieses Messverfahren für Smallband Lambdas gibt es auch beim TTS und beim SERT. Der Vorteil beim PowerVision ist, dass das kleine Display alle Einstellungen und Berechnungen intern durchführt. Es ist also kein extra PC-Programm notwendig, um die aufgezeichneten Werte zu berechnen und auf dem heimischen Computer daraus eine neue VE Tabelle zu berechnen.
Tuning mit PowerVision
Der PV kann beide oben besprochenen VE-Tuning Versionen. In der Profi Einstellung braucht man ein externes Autotune Kit mit Wideband Lambda Sensoren. Dann errechnet der PV die richtige VE Tabelle aus den Daten der Wideband Sensoren. In der Basic Version macht der PV die oben beschriebene (kurzfristige) Umstellung der AFR Tabelle und die notwendigen Messungen und Berechnungen, um mit den eingebauten Lambda Sensoren die richtige VE Tabelle zu bestimmen. Das geschieht unauffällig im Hintergrund, und der Anwender bekommt von den teilweise recht komplexen Vorträgen nur wenig mit. Ich werde beide Versionen in jeweils einem eigenen Kapitel besprechen.
Die Ermittlung der neuen VE-Tabelle wird übrigens jedesmal aufs Neue fällig, wenn man einen neuen Lufi einbaut oder den Auspuff ändert. Bei verstellbaren Auspuffanlagen wird mit offener Klappe gemessen. Um so schöner ist es dann, dass der PV diese Aufgabe schnell und ohne zusätzlichen Aufwand erledigt. Beim TTS bin ich oft ein Jahr mit der alten VE Tabelle weitergefahren, weil ich den Aufwand (Laptop im TopCase, USB Monitor vorne, Software bedienen...) schlicht gescheut habe.
Die korrekte Ermittlung der VE-Tabelle ist aber nur die eine Hälfte des Tuning Vorgangs. Wenn man endlich die passende VE Table für sein Bike hat muss man dem System auch noch sagen, wie man die AFR Tabelle eingestellt haben will. Zudem gibt es Abhängig vom Baujahr auch noch weitere Tabellen. Zum Beispiel für die Zündvorverstellung. Dafür wird es einen dritten Artikel geben.
Tuning auf dem Prüfstand
Bisher gehe ich davon aus, dass man das Tuning auf der Strasse macht. Also bei verschiedenen Drehzahlen und Gasgriffpositionen so lange fährt, bis genügend Messpunkte vorhanden sind. Das kann auf öffentlichen Strassen schwierig werden. Besser wäre es, man könnte alle Fahrzustände auf einem gebremsten Rollenprüfstand abfahren. Das dauert aber und ist nicht unter rund 400,- Euros zu haben. Die Firma HOT, House of Thunder bietet diese Dienstleistung nach eigenen Angaben für 250,- Euros an. Welchen Umfang und welche Dauer der Prüfstandlauf bei diesem Preis hat, kann ich nicht sagen.
Meist beschränken sich die bekannten Prüfstandangebote auf eine Vollgasfahrt vor dem Tuning und eine Vollgasfahrt nach dem Tuning. Was aber nicht sonderlich aussagekräftig für den täglichen Betrieb im Teillastbereich ist. Dafür müsste man mehr und umfangreicher testen. Also entweder man bezahlt viel Geld, oder man verwendet genügend Zeit darauf, auf der Strasse Bergauf- und Bergab zu fahren, um möglichst viele Zellen der VE-Tabelle zu erfassen.
Weil das Tunen der VE Tabelle mit dem PV relativ einfach ist, kann man so auch mal die Qualität einer Prüfstand-generierten Map testen. Wenn die Abweichungen im normalen Fahrbetrieb gering sind, dann war die Abstimmung gut.
© 2013, Peter Viczena
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