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Harley Wartung und Reparatur (2), 24000km Inspektion

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    Werkstatt : Harley Wartung und Reparatur (2), 24000km Inspektion

    Hier kommt ein sehr schöner Bericht des Users Q-Flat, der zuerst im TwinCam Forum veröffentlicht wurde:
    24000er Inspektion, Schluck fr Schluck, FXDC, 2009. - Twincam-Forum, das Harley-Forum von Harley-Fans fr Harley-Fans

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ID: 3702

    2009. Als meine Superglide Custom damals unberührt in ihrem vollkommenen Chromkleid vor mir stand, dachte ich: mein Gott, diese makellosen, fabrikneuen Schrauben, niemals würde ich es wagen, sie mit meinen profanen Schlüsseln zu schänden. Niemand anders als die Priester aus dem Harley-Tempel sollten die Maschine alle 8000 Kilometer zur Inspektion bekommen und durch bloβe Handauflegung magisch heilen. Mochten sie dafür auch ihren 400-Euro-Tribut verlangen.

    Nach drei Jahren strahlt die sakrale Aura meiner heiligen Harley immer noch. Aber gegenüber den Harley-Priestern entwickelten sich bei mir immer deutlichere Glaubenszweifel. Letzte Woche dann meine Entscheidung, ihnen gänzlich abtrünnig zu werden.

    Die 24000er Inspektion stand an:




    Auch wenn ich (oder: gerade weil ich) beruflich nichts mit Technik zu tun habe, mag ich es, die Basisarbeiten an meinem Motorrad selbst durchzugeführen. Für mich ist es immer wieder ein Abenteuer, eine Schraube zu lösen, einen Gehäusedeckel abzunehmen und auf neue Kontinente der Mechanik vorzudringen.

    Den alten Pirsig mit seinen philosophischen Phantastereien zur Motorradmechanik (?Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten?) habe ich natürlich auch gelesen. Wenn mir der zweite Teil seines Buches auch ziemlich auf die Nerven ging, der erste hat mich doch schon früh zu der Überzeugung gebracht, dass, wenn man methodisch (oder, nach Pirsig, aristotelisch) vorgeht, eigentlich nie etwas schief gehen kann. Theoretisch.

    Ein selbst durchgeführter Wartungsdienst beginnt mit dem Zusammenstellen einer Service- und Einkaufsliste und endet mit dem Vergnügen, wieder einmal etwas für sein geliebtes Forum zu schreiben.


    Laut Serviceprogramm sind bei der (kleinen) 24000-Kilometer-Inspektion folgende Wartungsarbeiten durchzuführen:

    1. Motoröl und Ölfilter wechseln.
    2. Kupplung einstellen.
    3. Bremsflüssigkeit alle 2 Jahre wechseln.
    4. Luftfilter kontrollieren, reinigen, wenn nötig wechseln.
    5. Zündkerzen überprüfen.
    6. Antriebsriemen und Laufrad überprüfen, Riemenspannung einstellen.
    7. Batterie prüfen und Kontakte reinigen, einmal jährlich.
    8. Züge oder Gestänge von Gas, Bremse und Kupplung schmieren.
    9. Auspuffanlage auf Dichtigkeit überprüfen, Befestigungen der Hitzeschutzelemente, wenn nötig, nachziehen oder ersetzen.

    Dann die Servicepunkte, die man normalerweise durch bloβe Sichtkontrolle erledigt und dann abhakt:

    10. Bremsbeläge auf Verschleiβ prüfen.
    11. Benzinleitungen überprüfen.
    12. Reifen kontrollieren.
    13. Elektrische Schalter und Elemente auf Funktion prüfen.
    14. Bei der Probefahrt die Funktion aller Teile und Systeme überprüfen.


    Shopping bei Harley:




    Alles originoool ? ich liebe Harley-Produkte, der schönen Verpackung wegen, egal, was drin ist:

    Motoröl, 3 Liter, 20 W 50.
    Ölfilter in Chromausführung.
    Bremsflüssigkeit, 2 Dosen DOT 4 (je 355 ml).
    Dichtungssatz bestehend aus 1 Kupplungsdeckeldichtung und 3 O-Ringen für Ölablassschrauben.
    Papierdichtung für das Luftfilterelement.
    vielleicht noch Batterien für den Transponder?

    Auch wenn man sich die Freude macht, alles Nötige beim Harley-Dealer zu kaufen, werden die Kosten für die 24000er-Inspektion die 100 Euro-Marke kaum überschreiten, auβer, wenn es sich herausstellen sollte, dass man ein neues Luftfilterelement braucht. Ich brauchte es nicht und habe gegenüber dem Wartungsdienst in der Vertragswerkstatt ganze 300 Euro gespart. Natürlich blieb mir die Arbeit, oder das Vergnügen, ganz wie man es sieht.

    Die folgenden Beiträge beschreiben das 24000er Serviceprogramm Schritt für Schritt (nun ja, auch Schluck für Schluck). Ich hoffe, sie werden dem einen oder anderen zukünftigen Selbstschrauber nützlich sein?



    Disclaimer/Haftungsausschluss:

    Wir übernehmen keinerlei Gewähr für die Aktualität, Korrektheit, Vollständigkeit oder Qualität der bereitgestellten Informationen. Haftungsansprüche gegen die Autoren, welche sich auf Schäden materieller oder ideeller Art beziehen, die durch die Nutzung oder Nichtnutzung der dargebotenen Informationen bzw. durch die Nutzung fehlerhafter und unvollständiger Informationen verursacht wurden sind grundsätzlich ausgeschlossen, sofern seitens der Autoren kein nachweislich vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verschulden vorliegt.

    Alle Angaben dieses Berichtes sind ohne Gewähr!
    Zuletzt geändert von peter; 22.03.2012, 17:46.

    #2
    AW: Harley Wartung und Reparatur (2), 24000km Inspektion

    1. Ölwechsel

    Öl ablassen

    Samstagmittag, 11 Uhr. Es ist gestern mal wieder ein biβchen spät geworden. Zunächst eine kleine Runde fahren, um Öl und Blut auf Betriebstemperatur zu bringen. Schönes Wetter ? Gas ? Spaβ muss sein. Durch das Fahren werden die im Öl und Hirn enthaltenen Schwebestoffe gleichmäβig verteilt; warm läuft das Öl später besser ab. Das Motorrad dann auf den Seitenständer stellen und den Öleinlass-Stutzen öffnen. Ist?s oben offen, läuft?s unten besser ab, wie beim Bierfass.





    Die Ölablassschraube befindet sich auf der linken Seite der Motor/Getriebe-Einheit, ganz hinten, und kann mit einem 5/8-Zoll Schlüssel zunächst etwas gelöst werden. Nun einen passenden Ölauffangbehälter, zum Beispiel einen aufgeschnittenen 5-Liter-Weinkanister, darunter schieben. Sollen die Finger von heiβem Öl verschont werden, sollte man zumindest für die letzten Drehungen der Ablassschraube eine Nuss mit Verlängerung benutzen. O?zapft is! Prost.

    Warten bis nichts mehr kommt. Ich reinige die magnetische Ölablassschraube und bereite sie für den Wiedereinbau vor. Feiner metallischer Staub, der an ihrem Magnetkern haftet ? das sind die besagten Späne, die entstehen, wenn der Hobel bewegt wird. Späne im eigentlichen Sinne sollten es nicht sein. Dann müsste man sich Sorgen um die Gesundheit des Motors machen. Staubtrocken, hier in der Garage. Leichte Kopfschmerzen.

    Unter dem Kopf der Ölablassschraube befindet sich ein kleiner O-Ring. Diesen gegen einen neuen aus dem Dichtungs-Set ersetzen. Wenn alles Altöl schön abgelaufen ist und man die Dichtfläche gereinigt hat, kann man die Ölablassschraube mit dem neuen O-Ring wieder in ihr Gewinde drehen. Als Drehmoment gibt das Werkstatthandbuch 19-28,5 Nm an.

    Blick in die Altölwanne: mein Spiegelbild, müde, schwarz, schlierig. Auch das Öl, trübe, nach 8000 Kilometern sonniger Fahrt. Unterschwelliger Blick auf das Weinregal ? warum eigentlich nicht? Da liegt er, der 2009er Pic Saint Loup, so alt wie meine Harley, nicht schwarz, aber tiefrot und nach drei Jahren garantiert besser als neu. Ist noch ein biβchen früh.


    Ölfilter wechseln

    Die Ölfilterpatrone sitzt leicht zugänglich an der Vorderseite des Motors. Einziges Problem: genau dort, wo man den Ölfilter-Schlüssel anzusetzen hat, ist ein kleiner elektrischer Geber in den Motorblock geschraubt (Kurbelwellenstellung) und schränkt den vorhandenen Platz für dieses Werkzeug erheblich ein. Harley bietet natürlich, zu einem fetten Preis, einen speziell abgemagerten Ölfilter-Schlüssel an. Billiger war es für mich, mir einen alten Schlüssel (Mann LS 7, den ich mir einst für einen W 124er Daimler gekauft hatte), in dieser Form zurechtzusägen:





    Man kann bei dieser Modifikation sicher noch mehr Material wegnehmen, dann braucht man nicht nach jeder Vierteldrehung neu anzusetzen. Auf jeden Fall gelingt der Ausbau des Ölfilters auf diese Weise perfekt.





    Beim Herausdrehen des Filters schützt man die darunter liegenden Elektronik-Teile (den Regler und deine Anschlüsse) mit einem entsprechenden Auffangbehälter oder Ablauf.

    Nach dem Reinigen der Dichtfläche der Ölfilteraufnahme bestreicht man die Gummidichtung des neuen Ölfilters mit etwas Motoröl und schraubt den Filter dann wieder an seinen Platz. Das Harley-Werkstatthandbuch, welches sonst Drehmomente für die kleinsten und unbedeutendsten Schrauben angibt, sagt hier klar: KEINEN Ölfilterschlüssel benutzen. Die Ölfilterpatrone nach dem Berühren der Dichtflächen noch eine halbe bis dreiviertel Drehung von Hand nachziehen. So habe ich es gemacht, und so war später alles perfekt dicht. Und wenn ich jetzt doch in die Küche ginge und den Korkenzieher holte?


    Befüllung

    Zur Befüllung des Motors schreibt Harley 2,4 Liter Motoröl vor. Wenn ich es recht betrachte, habe ich richtig Durst. 2 Liter reichen zunächst, um den Ölstand auf Maximum zu bringen. Dann das Motorrad starten und den Motor einige Zeit im Leerlauf drehen lassen. So wird der Ölfilter gefüllt, womit der Ölstand wieder unter ?max? sinkt. Nun die restlichen 0,4 Liter Motoröl nachfüllen. Harley-Altöl natürlich unbedingt in der Küche weiterverwenden.
    Zuletzt geändert von peter; 22.03.2012, 14:32.

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      #3
      AW: Harley Wartung und Reparatur (2), 24000km Inspektion

      2. Kupplung einstellen

      12 Uhr. Zum ersten Mal gilt es jetzt für mich, sozusagen durch den Spiegel des Primärdeckels hindurchzutreten und in das Innere des Harley-Motors einzudringen. Weniger bildlich gesprochen: es geht nun ans Eingemachte.

      Vor der Arbeit fragte ich mich, ob ich denn das mit der Kontermutter auf der Einstellschraube hinbekommen würde? Ging sie ohne Schwierigkeiten los, oder drehte sich der Kupplungskorb mit? Wenn ja, wie könnte ich ihn blockieren? Und schlieβlich: würde ich die Kontermutter mit dem entsprechenden Drehmoment festgezogen bekommen? Es sei vorweg genommen ? alles ging ganz einfach.

      Beim Einstellen der Kupplung muss der Motor Raumtemperatur haben (bei heiβem Motor wird beim Einstellen mehr Spiel als vorhanden vorgetäuscht). Raumtemperatur. Ganz wichtig auch für Rotwein. Das Motorrad sollte senkrecht stehen (sonst läuft Öl aus dem geöffneten Primärdeckel). Weintrinker, die schräg über eine Stuhllehne hängend aus den Mundwinkeln sabbern sind auch kein schöner Anblick.

      Bevor man mit der eigentlichen Arbeit beginnt, wird der Kupplungs-Inspektionsdeckel am hinteren Ende des Primärgehäuses entfernt. Dazu die fünf T 27er Torx-Schrauben gleichmäβig lösen. Den Deckel säubern und dann eine neue Dichtung in die auf der Rückseite befindliche Nut einsetzen. Ich freue mich an dem Anblick des Kupplungskorbes. Ein ziemlich wuchtiges Teil. Harley eben. Früher wurde bei solchen Mehrscheibenkupplungen Kork verwendet. Kork. Jetzt hole ich ihn, den Korkenzieher. Auch ein Glas dazu.





      Die Einstellung der Kupplung wird an zwei Stellen vorgenommen: erstens an der Kupplung selbst, zweitens am Seilzug. Dabei ist die Justierung der Einstellschraube an der Kupplung selbst als Grundeinstellung zu sehen, die erst einmal stimmen muss, bevor die Stellschraube des Seilzuges in die richtige Position gedreht wird. Insgesamt gibt es bei dieser Arbeit drei Arbeitsschritte: Entspannen des Kupplungsmechanismus am Seilzug, Justieren des Spiels an der Kupplung, Wiederspannen und Justieren des Seilzugs.


      1. Das Entspannen des Kupplungsmechanismus:

      Es wird erreicht, indem man am Seilzug richtig Luft gibt. Dazu die vor dem linken Rahmenunterzug befindliche Stellschraube (1/2-Zoll) nach Lösen der Kontermutter (9/16- Zoll) ein gutes Stück weit nach oben drehen.



      Der Kupplungs-Handhebel ist nun fast frei beweglich.


      2. Das Justieren des Spiels an der Kupplung:

      Die Justierschraube an der Kupplung wird von einer 9/16-Zoll Kontermutter gehalten, die zunächst gelöst werden muss. Dreht man den Schlüssel langsam gegen den Uhrzeigersinn tut sich nichts ? die Kupplung dreht sich mit. So geht es also nicht. Bewegt man den Schlüssel aber mit einem trockenen Schlag, funktioniert es ohne Probleme. Das Drehmoment der Kontermutter ist nämlich nicht so hoch, wie man es sich denken könnte: nur zwischen 8,1 und 13,6 Nm.





      Wenn man weiβ, wie es geht, ist es also nicht schwieriger als das Öffnen einer Weinflasche! Ich greife ins Weinregal. Korkenzieher ? und Plopp. Keiner zwingt mich, mich gleich zu besaufen. Sicherheit geht vor, alles eine Frage der Einstellung.

      Einstellung der Kupplung. Die kleine 7/32-Zoll Inbus-Justierschraube wird zunächst gelöst und dann, wie gezeigt, an einer Verlängerung zwischen zwei Fingern so weit im Uhrzeigersinn gedreht, bis sie an den Punkt kommt, wo sie einen leichten Gegendruck von der Federplatte erfährt.





      Ruhig ein paar Mal wiederholen, dann bekommt man ein gutes Gefühl dafür, wo dieser Punkt genau liegt. Um sicher zu gehen, dass sich der gesamte Kupplungsmechanismus in seiner normalen Stellung befindet, ruhig auch einmal zwischendurch den Kupplunghebel ziehen (ein Restweg am Griff müsste noch vorhanden sein).

      Hat man den Punkt mit dem Spiel ?0? gefunden, wird die Einstellschraube laut Werkstatthandbuch zwischen einer halben und einer ganzen Drehung gegen den Uhrzeigersinn zurückgedreht. Ich habe es bei einer halben Drehung belassen:





      In dieser Justierstellung hat die Kupplung das Spiel, welches sie braucht, um unter allen Temperaturbedingungen korrekt zu funktionieren. Also, diese Stellung der Justierschraube halten und die Kontermutter wieder festziehen.

      Hierbei sollte man es nicht übertreiben. 8,1 bis 13,6 Nm sind, wie gesagt, von Harley vorgegeben (das ist kaum mehr, als das Drehmoment der kleinen Torx-Schrauben des Kupplungs-Inspektionsdeckels ? kaum zu glauben). 13,6 Nm ? das schafft man selbst mit schräg angesetztem Gabelschlüssel ohne die Kontermutter zu beschädigen.

      Als vorsichtiger Mensch habe ich natürlich nachher noch einmal mit dem Drehmomentschlüssel nachgemessen. 14 Nm eingestellt ? klick ? es war genug. Laut Werkstatthandbuch sollte man jetzt noch dreimal den Kupplungshebel ziehen, um sicher zu gehen, dass sich die Kugeln des Ausrückmechanismus? in ihrer richtigen Position befinden. Ein Schluck aus dem Glas. Alles läuft perfekt.


      3. Das Wiederspannen und Justieren des Seilzugs:

      Dazu dreht man die Stellschraube vor dem linken Rahmenunterzug wieder auseinander, bis am Handhebel noch 1,6-3,2 mm übrig bleiben (Angabe des Werkstatthandbuchs). Dieses Spiel muss zwischen der Blechhülse am oberen Ende des Zugmantels und der Lenkerarmatur anliegen:





      Besser als mit der Schieblehre, wie hier zur besseren Verdeutlichung gezeigt, geht es mit der Fühlerlehre. Ich habe das Spiel auf 1,8 mm eingestellt, dann die Stellschraube am linken Rahmenunterzug gekontert und schlieβlich die Gummi-Schutzmanschette wieder darüber gezogen.

      Zum Schluss den Kupplungs-Inspektionsdeckel mit der neuen Dichtung wieder auf das Primärgehäuse schrauben. Auch dabei behutsam vorgehen. Laut Harley sollten die fünf Torx-Schrauben in mehreren Schritten, beginnend mit der oberen, ?über Kreuz? angezogen werden, zuletzt mit einem Drehmoment von 9,5-12,2 Nm. Geschafft.

      Ich bin stolz auf meine Arbeit, hebe mein Glas und schaue hindurch. Die Welt steht Kopf und ist seitenverkehrt. Entspannt denke ich: das Schrauben an der Harley macht richtig Spaβ.


      Zuletzt geändert von peter; 22.03.2012, 15:04.

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        #4
        AW: Harley Wartung und Reparatur (2), 24000km Inspektion

        3. Bremsflüssigkeit wechseln

        13.30 Uhr. Das Wechseln der Bremsflüssigkeit ? keine schöne Arbeit, aber wichtig. Bremsflüssigkeit nimmt Wasser auf (igitt), welches nicht nur die Bremswirkung bis auf Null herabsetzen kann, sondern auch Korrosion im Bremssystem bewirkt, welche besonders auf den Gleitflächen des Bremszylinders tötlich für die Dichtungen wird. Deshalb ist der Harley-Wartungsplan unerbittlich: die DOT 4 Bremsflüssigkeit muss alle zwei Jahre gewechselt werden. Wer Wasser zieht, altert schlecht.

        Beim Arbeiten mit Bremsflüssigkeit ist Vorsicht geboten. Bremsflüssigkeit ist ein ziemlich agressives Zeug, das nicht nur die Augen, sondern auch teure Lackflächen erbarmungslos angreift. Ich weiβ um meine Ungeschicklichkeit, deshalb beuge ich allen erdenklichen Katastrophen vor, ehe ich mit der Arbeit beginne.

        Zunächst wird um den Bremsflüssigkeitsbehälter alles schön abgedeckt, dann am Bremssattel alles, was umfallen oder sich lösen könnte, abgesichert und befestigt (das eine Ende des durchsichtigen Schlauchs mit Kabelbinder an die Entlüftungsschraube, das andere Ende mit Draht an das Einmachglas; doppelseitiges Klebeband unter das Einmachglas ? da rührt sich nichts mehr).

        Die Weinflasche stelle ich sicherheitshalber oben auf den Schrank. Jetzt muss ich mich konzentrieren.





        Bremsflüssigkeit wechseln vorne

        Zuerst die beiden Kreuzschlitzschrauben oben auf dem Bremsflüssigkeitsbehälter lösen und den Deckel abnehmen. Diesen, zusammen mit der Dichtung, sorgfältig mit Alkohol reinigen (soll schlieβlich auch mal was Gutes haben). Bevor ich damit beginne, die alte Bremsflüssigkeit mit neuer durch die Bremsleitung zu drücken, ziehe ich den Inhalt des Bremsflüssigkeitsbehälters mit einer Spritze ab. Während er leer ist, darf man den Bremshebel natürlich nicht bewegen, sonst kommt Luft in die Anlage.





        Auf dem Grund des Bremsflüssigkeitsbehälters sammeln sich immer so einige Ablagerungen. Zur Reinigung nehme ich in Alkohol getränkte Wattestäbchen. Reiner Alkohol für die Maschine, reiner Wein für den Zeremonienmeister. Harley empfiehlt übrigens, bei Arbeiten an der Bremsanlage niemals agressivere Mittel zu verwenden. Ist alles schön sauber, fülle ich den Bremsflüssigkeitsbehälter mit neuer Bremsflüssigkeit und beginne nun mit der eigentlichen Pumparbeit (an der Bremse, versteht sich).

        Ein kleiner 3/8 Zoll Schlüssel liegt bereit. Nachdem man, wie im oberen Bild gezeigt, auf die Bremssattel-Entlüftungsschraube einen passenden durchsichtigen Schlauch gesteckt hat, der mit seinem anderen Ende in einem Einmachglas hängt, zieht man nun in mehrfachen Wiederholungen einen Arbeitsgang durch, der so einfach ist wie die Sache mit dem Trinken und Wasser lassen, bei dem man nur eines nicht darf: durcheinanderkommen. Also Konzentration.

        1. Kleinhirn an rechte Hand: Bremsgriff ziehen, Druck auf die Anlage geben. Druck halten.
        2. Kleinhirn an linke Hand: Bremssattel-Entlüftungsschraube um eine Vierteldrehung öffnen.

        Ein wenig alte Bremsflüssigkeit schieβt in diesem Moment in den durchsichtigen Schlauch. Am Bremshebel bricht der Druck zusammen und die rechte Hand, welche keinen Widerstand mehr spürt, zieht ihn, fast von allein, bis zum Gasgriff durch.

        3. Kleinhirn an rechte Hand: Jetzt bloβ nicht loslassen, sonst kommt Luft in die Anlage.
        4. Kleinhirn an linke Hand: Bremssattel-Entlüftungsschraube zu!
        5. Kleinhirn an rechte Hand: Bremsanlage ist wieder dicht, du kannst den Bremsgriff jetzt lösen.

        Bremsdruck ist wieder da, der erste Zyklus ist geschafft. Ich gehe mal kurz auf die Toilette, bin gleich wieder da ? daran hätte ich auch vorher denken können. Ein wenig von unserer alten Bremsflüssigkeit ist nun unten aus dem System heraus, während der Bremsflüssigkeitsstand oben im Bremsflüssigkeitsbehälter ein ganz klein wenig gesunken ist.

        Ich ziehe den oben beschriebenen Zyklus noch viele Male durch. Aber Vorsicht: zu keiner Zeit darf der Bremsflüssigkeitsbehälter bis auf den Grund leergepumpt werden, sonst kommt Luft ins System. Also, so alle fünf Zyklen mal nachschauen, wie es mit dem Bremsflüssigkeitsstand steht und immer wieder neue Bremsflüssigkeit nachfüllen.

        Wann ist Schluss? Normalerweise dann, wenn unten aus dem Schlauch klare neue, statt trüber alter Bremsflüssigkeit austritt. Den Unterschied kann man normalerweise einigermaβen deutlich sehen. Es ist, als wenn man beim Saufen etwa zum zehnten Mal vor dem Pissbecken steht:





        Man kann auch weiter machen, bis man sich ganz sicher ist. Eine volle Flasche neuer Flüssigkeit im Bremssystem dürfte mehr als genug sein. Das menschliche Blutsystem dagegen verträgt manchmal etwas mehr als eine Flasche Wein.

        Zum Schluss die Bremssattel-Entlüftungsschraube sorgsam festziehen. Harley gibt hier ein Drehmoment von 9-11,3 Nm an, was nicht viel ist. Wir haben es hier mit einer kleinen Schraube in Alu zu tun ? also nicht übertreiben, trotz unserer Euphorie über die geleistete Arbeit. Gummistopfen wieder drauf, dann sind wir unten fertig.

        Nun oben am Bremsflüssigkeitsbehälter den Flüssigkeitsstand prüfen. Harley gibt einen Stand von 3,2 bis 6,4 mm unter der Fläche der Behälterdichtung an. Um den Flüssigkeitsstand in meiner Weinflasche schert sich das Harley-Werkstatthandbuch zum Glück einen Dreck.


        Bremsflüssigkeit wechseln hinten

        Beim Wechsel der Bremsflüssigkeit an der Hinterbremse sind alle Arbeitsschritte genau gleich, auβer dass man es einmal mit einem Handbremshebel und einmal mit einem Fuβbremshebel zu tun hat, der aber bei dieser Arbeit ebenfalls von Hand bedient wird:





        Die einzige Schwierigkeit bei der hinteren Bremse besteht in der schlechten Zugänglichkeit des Bremsflüssigkeitsbehälters. Er sitzt unter der rechten Schwingenaufnahme und ist dort kaum von einem Schraubendreher zu erreichen. Etwas besser wird es, wenn man den darüber liegenden Deckel des Batteriefachs abschraubt (siehe unten, ?Kontrolle der Batterie?). Aber auch so kann das Befüllen des hinteren Bremsflüssigkeitsbehälters mit neuer Bremsflüssigkeit nur über eine Spritze oder Ähnliches erfolgen.

        Also, alle Arbeitsschritte so durchführen wie bei der Vorderbremse, bis die Bremssattel-Entlüftungsschraube wieder vorsichtig angezogen und der Flüssigkeitsstand im Bremsflüssigkeitsbehälter überprüft wurde. Deckel zu, fertig.
        Zuletzt geändert von peter; 22.03.2012, 14:04.

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          #5
          AW: Harley Wartung und Reparatur (2), 24000km Inspektion

          4. Luftfilter kontrollieren, wenn nötig wechseln (oder reinigen)

          15 Uhr. Der Wartungsplan sieht alle 8000 Kilometer eine Kontrolle des Luftfilters vor. Gewechselt wird immer dann, wenn es nach Sichtprüfung nötig erscheint. Sollte er noch einigermaβen fit sein, empfiehlt das Werkstatthandbuch ein einfaches Waschen mit Wasser und CD. Echte Biker nehmen den ausgebauten Luftfilter einfach mit in die Badewanne und spielen Titanic. Klar, sie baden sich auch im 8000-Kilometer-Rhythmus (oder einmal im Jahr).

          Luftfilter ausbauen. Dazu die zentrale Schraube des serienmäβigen des Luftfiltergehäusedeckels entfernen. Das Filterelement und zwei kleine Motorgehäuse-Entlüftungsschläuche erscheinen. Diese können zunächst vorsichtig von ihren Entlüftungsschrauben und aus den Löchern im Filter gezogen werden. Nach dem Lösen von drei langen Inbus-Schrauben, von denen sich eine unter der Gewindeklammer des Deckels versteckt, kann man das Filterelement von seinem Sitz entfernen.

          Hinter dem Filterelement sitzt eine Papierdichtung. Das Werkstatthandbuch empfiehlt, diese durch eine neue zu ersetzen.





          Im Luftfiltergehäuse hat sich ziemlich viel Dreck und Ölschmier angesammelt. Da macht eine Grundreinigung richtig Spaβ:





          Nach genauer Betrachtung scheint mein Luftfilter nach 8000 km Fahrt noch in vertretbarem Zustand zu sein. Also ab ins Bad und schön in Wasser und Seife einweichen lassen, zusammen mit den Motorentlüftungsschläuchen. Wegen der Ölschmiere im Filterpapier wäre man natürlich geneigt, zu etwas Schärferem zu greifen. Was hätten wir denn da?

          Bremsenreiniger, Azeton und andere Entfettungsmittel, Armagnac. Aber das verbietet Harley ausdrücklich. KEINE agressiven Reinigungsmittel auf das Papier des Filterelements! Gegen Armagnac auf Wein sagt Harley allerdings nichts. Ich entschlieβe mich, diese Idee später weiterzuverfolgen.

          Noch etwas: Willy G. bittet darum, das sorgam von ihm konzipierte Filterelement nicht gegen irdendwelche harten Gegenstände zu schlagen, um beispielsweise Schmutzpartikel oder Insekten aus den Papierfalten zu bekommen. Auch möchte er nicht, dass man den serienmäβigen Filter nach dem Bad mit Druckluft trocknet. Harley-Filter vertragen nur den Föhn. Badezimmeratmosphäre bis zu Schluss.





          Letzte Spülung, Stunde der Wahrheit: War die Reinigungsaktion erfolgreich? Das Filterpapier lässt nach dem Trocknen gleichmäβig das Sonnenlicht durchscheinen ? so soll es nach dem Werkstatthandbuch sein.





          Im unteren Teil des Filterelements, dort wo anscheinend Öl aus den Motorentlüftungsschläuchen herabtropft, sieht es allerdings nicht ganz so optimal aus. Meine Entscheidung also für die 32000er-Inspektion: ein hochwertigeres, leicht waschbares Luftfilterelement muss her!

          Jetzt aber erst einmal eine Pause. Eine halbe Tafel Schokolade täten gut. An eine Zigarre will ich gar nicht denken. Wenn man damit anfängt, kommt man gar nicht mehr weiter.

          Zusammenbau des Luftfiltergehäuses. Behutsam vorgehen: ein winziges Schlückchen Wein. Dann die neue Papierdichtung auf die hintere Seite des Filterelements legen. Schlieβlich das Filterelement wieder an seinen Platz bringen und mit den drei Inbus-Halteschrauben befestigen. Das Werkstatthandbuch gibt hier ein Drehmoment von 4,5-6,8 Nm an. Die Motorgehäuse-Entlüftungsschläuche ebenfalls beidseitig auf- oder einstecken und die Gewindeklammer des Gehäusedeckels wieder an ihren Ort bringen.





          Alles ist wieder schön sauber. Mit Genugtuung schraubt man dann den Luftfiltergehäusedeckel auf sein Gehäuse. Schön darauf achten, dass die zwischen diesen Teilen befindliche Gummidichtung sauber sitzt. Harley empfiehlt, auf die 5/16-Zoll Inbusschraube, die den Gehäusedeckel hält, etwas 243er Loctite zu geben und sie dann mit 4,1-6,8 Nm anzuziehen.
          Zuletzt geändert von peter; 22.03.2012, 14:05.

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            #6
            AW: Harley Wartung und Reparatur (2), 24000km Inspektion

            5. Zündkerzen überprüfen.

            17 Uhr. Die Kontrolle der Zündkerzen sollte bei kaltem Motor durchgeführt werden. Ich nehme mir gerne jeden Zylinder einzeln vor. Zunächst den Kerzenstecker von der Kerze abziehen. Die Kerze (Typ HD 10 R 12A) mit einem 16er-Kerzenschlüssel aus ihrem Gewinde drehen und das Kerzenbild begutachten. Bei der serienmäβig mageren Abstimmung meines Motors war das Verbrennungsbild beider Kerzen erwartungsgemäβ ziemlich weiβ ? ein Zeichen für eher heiβe Verbrennung. Ökologie auf Kosten der Mechanik. Niederschmetternd. Aufmunternd und ehrlich dagegen, mein Roter.





            Die Kerzen waren aber sonst noch in einwandfreien Zustand und konnten weiterverwendet werden. Ich habe dann noch vor dem Wiedereinbau den Elektrodenabstand geprüft (Harley gibt hier einen Wert von 0,97-1,09 mm an), die Kerzen gereinigt, die Gewinde leicht eingeölt und mehrfach von Hand in den Zylinderkopf geschraubt, bis alles wieder völlig leichtgängig war. Schlieβlich bekamen beide Kerzen ihr vorgeschriebenes Drehmoment von 16,3-24,4 Nm und die Kerzenstecker wurden wieder aufgesteckt. Kleiner Blick noch auf die Zündkabel. Wie neu. Übrigens, 0,5 Promille dürfen gegen Ende dieser Arbeit leicht überschritten werden.

            Ein Wort noch zu einer mechanischen Jugendsünde: In den Achtzigerjahren galt es zuweilen als heiβer Tipp, die Kerzengewinde mit etwas Kupferpaste zu bestreichen. Ich habe diese Dummheit auch begangen und, so wie viele, meine Alu-Kerzengewinde gehimmelt. Leider wusste ich damals nämlich nichts von der zerstörerischen Wirkung von Kupfer auf Alu, das in dieser Verbindung als unedleres Metall galvanisch korrodiert. Armagnac auf Wein und umgekehrt ? da korrodiert übrigens nichts.
            Zuletzt geändert von peter; 22.03.2012, 14:06.

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              #7
              AW: Harley Wartung und Reparatur (2), 24000km Inspektion

              6. Antriebsriemen und Antriebsrad überprüfen, Riemenspannung einstellen

              17.30 Uhr. Noch ist es hell. Ich beginne damit, mir den Antriebsriemen genau anzuschauen. Gibt es irgendwo Risse, beschädigte Zähne oder irgendwelche unnatürliche Abnutzung? Nein. Nach 24000 Kilometern ist er in einem quasi neuwertigen Zustand. Ähnlich sieht es mit dem Laufrad aus. Leichte Druckspuren im Chrom der Lauffläche, sonst einwandfreie Zähne. Hab sie ja auch immer schön geputzt.

              Nun zur eigentlichen Arbeit. Sie beginnt mit der Messung der Antriebsriemenspannung. Dazu gibt es verschiedene Methoden, die ein mehr oder weniger genaues Ergebnis liefern. Nach Werkstatthandbuch nimmt man dazu ein kleines Messwerkzeug, welches es über eine simple Feder erlaubt, genau 4,5 kg Druck unter den Riemen zu geben, dessen Durchbiegung man dann am Prüffenster misst. Das Messwerkzeug soll dabei genau in der Mitte zwischen den beiden Laufrädern des Riemens angesetzt werden. Karl hat uns hier gezeigt, wie man sich ein solches Werkzeug leicht aus einer Fahrradluftpumpe selber baut.




              Die Sollwerte der Riemendurchbiegung bei 4,5 kg Federdruck variieren je nach Typmodell und Belastungszustand. Hier die Angaben aus dem Werkstatthandbuch:

              FXDWG/FXD/FXDF:
              7,9-9,5 mm auf dem Seitenständer ohne Fahrer und Gepäck.
              12,7-14,3 mm mit senkrecht stehendem Fahrzeug und frei hängendem Hinterrad.

              FXDB/FXDC/FXDL:
              6,4-7,9 mm auf dem Seitenständer ohne Fahrer und Gepäck.
              7,9-9,5 mm mit senkrecht stehendem Fahrzeug und frei hängendem Hinterrad.

              [Etwas kurios ist es, dass das gleiche Werkstatthandbuch zunächst empfiehlt, die Durchbiegung des Riemens unter Last, d.h. mit Fahrer, zu messen, dazu dann aber keine Messwerte liefert].

              Bei meinem Motorrad (FXDC) war die Riemendurchbiegung nach 8000 km Fahrt aus dem Toleranzbereich. Sie wird mit den Schrauben an den Enden der Schwingenholme nachjustiert. Zum Justieren zunächst den Sicherungsclip der Achsmutter, dann die Achsmutter selbst lösen. Dazu kann man eine metrische 36er Nuss benutzen – sie passt genau. Zum Kontern (rechts) braucht man eventuell einen flachen 1.1/8 Zoll Ringschlüssel. Bei mir hat sich die rechte Achsschraube allerdings nicht mitgedreht.





              Dann die Stellschrauben so weit anziehen, bis die Riemenspannung stimmt. Damit das auf beiden Seiten gleichmäβig erfolgen kann, sollte man sich die Schraubenstellung eventuell vorher markieren. Die Achsmutter bekommt zum Schluss wieder ihr Drehmoment von 128,8-142,4 Nm, die Stellschrauben 10,8-13,6 Nm. Sicherungsclip eingeklipst. Riemenspannung noch einmal nachgemessen, fertig. Diese Arbeit hat länger gedauert als erwartet. Pause, schnell etwas essen.

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                #8
                AW: Harley Wartung und Reparatur (2), 24000km Inspektion

                7. Batterie prüfen und Kontakte reinigen, einmal jährlich.

                19 Uhr. Der Werkstattkassettenrekorder spielt Pink Floyd. Die Armagnac-Flasche, etwas über halb voll, steht daneben. Heimelige Abendstunde in der Garage, Zufriedenheit über das schon Geschaffte. Vergessen, der morgendliche Kater.

                Zur Batterie. Die Batterie kann man prüfen, indem man den Batteriekastendeckel auf der rechten Seite des Fahrzeugs abnimmt. Unten am Batteriekasten befindet sich eine Kreuzschlitzschraube. Diese lösen und den Batteriekastendeckel dann aus seinen beiden oberen Halterungen heben.

                Wer sein Motorrad fast täglich bewegt, so wie ich, weiβ eigentlich wie es um die Leistungsfähigkeit seiner Batterie steht. Nach nunmehr bald drei Jahren funktioniert sie noch immer einwandfrei, auch bei kalten Temperaturen. Einen echten Test unter Last habe ich mir deshalb erspart, aber zum Spaβ doch einmal das Voltmeter daran gehalten:





                12, 77 Volt ? das ist perfekt. Auch sieht sonst alles an dieser Batterie wie neu aus: keine Risse, blitzsaubere, korrosionsfreie Kontakte, neuwertige Befestigungselemente. Bevor man aber den Batteriekastendeckel wieder einhängt und festschraubt: unbedingt kontrollieren, ob die Kontaktschrauben der Batterie ordentlich fest sitzen - sonst sind Pannen vorprogrammiert*. Fertig. Die Ladespannung der Rotweine aus dem Languedoc beträgt, nebenbei bemerkt, üblicherweise zwischen 13,5 und 14,5 Volt.

                (* Dieser Satz wurde dem Beitrag nachträglich hinzugefügt. Ich hatte diese Überprügung bei meinem Wartungsdienst vergessen und blieb vier Tage später prompt liegen - Bericht, siehe unten. Der Autor).
                Zuletzt geändert von peter; 22.03.2012, 15:09.

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                  #9
                  AW: Harley Wartung und Reparatur (2), 24000km Inspektion

                  8. Züge von Gas und Kupplung, Gestänge der Hinterradbremse schmieren.

                  Aus dem Kassettenrekorder: Deep Purples ?Child in Time?, live. Letzte Ölung! Zum Schmieren der einzelnen Züge und Gestänge empfiehlt das Werkstatt-Handbuch ?HD Superoil?, beim Harley-Dealer hat man mir allerdings zu einfachem W-40 geraten. Geht sicher beides. Was nicht geht: einen guten Armagnac aus der Flasche zu trinken. Ein Schwenker muβte her. Die ölige Atmosphäre in meiner Werkstatt kippte dann sofort: Traubenduft und frische Eiche. Ich genieβe in tiefen (Atem-)Zügen.

                  (Hier möchte ich einwenden, dass WD-40 mit der Zeit zur Bildung von Kristallen neigt, was der Leichtgängigkeit von Zügen widerspricht. Besser ist es, ein Silikonöl zur Schmierung zu verwenden. Peter)


                  Gaszüge

                  Zum Schmieren der beiden Gaszüge muss der obere Deckel der rechten Schalterarmatur zumindest angehoben werden. Dazu die beiden T-25er Torx-Schrauben (eine oben, eine unten) herausdrehen. Mit dem dünnen Schlauch der W-40-Sprühflasche kommt man dann einigermaβen an die Züge heran. Ein paar Mal abdrücken und den Gasgriff zwischendurch betätigen. Zum Schluss den Deckel mit den beiden Torx-Schrauben wieder befestigen (laut Harley mit 4,0-5,1 Nm Drehmoment).

                  Kupplunszug

                  Beim Kupplungszug kann das Öl ohne Schraubarbeit in den Zugmantel eingespritzt werden und beim Fuβbremsgestänge ist ebenfalles alles bestens zugänglich ? fertig.

                  Eigentlich hätte ich gedacht, dass diese Schmierarbeiten nicht viel brächten, da ja alle Bedienungselemente noch einwandfrei leicht gingen. Und doch, nachdem die entsprechenden Schmierstellen ihre Pflege erhalten hatten, war alles noch einmal eine Spur gängiger, besonders der Gasgriff.


                  9. Auspuffanlage auf Dichtigkeit prüfen, Befestigungen der Hitzeschutzelemente, wenn nötig, nachziehen oder ersetzen.

                  20 Uhr. Auspuff. Sitzen alle Schrauben? Gibt es irgendwo Risse? Bei der serienmäβigen Anlage ist der Bereich an der Klappensteuerung besonders gefährdet. Dort gab es an meiner Maschine bei 12000 km einen Vibrationsriss, der den Austausch des hinteren Krümmers nötig machte ? damals auf Garantie.

                  Die Hitzeschilde wandern zuweilen leicht, schieben sich gegeneinander und beginnen zu klappern. Ich überprüfe die Zwischenräume. Auch die Schlauchschellen der Hizeschilde müssen immer wieder einmal nachgezogen werden. Bei der jetzigen Überprüfung fiel mir auf, dass eine dieser Schellen halb eingerissen war und ersetzt werden musste. Was wieder einmal zeigt, dass man auch die kleinen Arbeiten der Inspektion nicht vernachlässigen sollte.

                  Zum Schluss, die Auspuffanlage auf Dichtigkeit prüfen. Dazu mit einem geeigneten Lappen erst den einen, dann den anderen Endtopf zuhalten. Wenn nun nirgends zischelnde Laute an der Anlage hörbar werden, ist alles in Ordnung.

                  Qualm in der Garage. Jetzt aufs Ganze gehen. Gartenstuhl, Aschenbecher, Zigarre. So wird das was, mit der Inspektion. Mit Bestürzung stelle ich fest, dass in meinem Zigarren-Humidor Trockenheit herrscht. Inspektion vergessen. Das Beste, was ich darin noch finden kann, ist eine alte Sancho Panza ?Molinos?. Viva Cuba! Viva Cervantes! Ich entschlieβe mich, den Kampf mit meiner Mühle wieder aufzunehmen.
                  Zuletzt geändert von peter; 22.03.2012, 14:18.

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                    #10
                    AW: Harley Wartung und Reparatur (2), 24000km Inspektion

                    10-13. Sichtprüfungen: Bremsbeläge und Bremsscheiben auf Verschleiβ prüfen, Reifen kontrollieren, Benzinleitungen überprüfen, elektrische Schalter und Elemente auf Funktion prüfen.

                    20.30 Uhr. Kurz stand die Frage im Raum, ob es sich lohne, den Rest Armagnac noch bis zum 32000er Wartungsdienst aufzuheben. Sie stand nicht lange im Raum. Wie sagte der Che? „Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche“.


                    10. Bremsbeläge und Bremsscheiben

                    Die Bremsbeläge dürfen laut Werkstatthandbuch bis auf ein Minimalmaβ von 1,02 mm abgenutzt werden. Ich stelle mit Qualm in den Augen fest, dass es bei mir nach 24000 km überall noch etwas mehr als 3 mm sind. Die Beläge werden also vermutlich auch bei der 32000er Inspektion noch nicht fällig sein.

                    Bremsscheiben auf Verzug überprüfen. Das lasse ich bei jedem Reifenwechsel machen, wenn das Rad auf dem Auswuchtbock hängt. Harley erlaubt einen maximalen Verzug von 0,2 mm an der Bremsscheiben-Auβenkante. Beim letzten Test war alles im grünen Bereich. Ich bin leicht blau. Tut eigentlich nichts zur Sache, ist aber so.

                    Die minimale Bremsscheibendicke ist auf der Bremsscheibe eingraviert: „MIN THK….“. An der hinteren Bremsscheibe ist der Wert bei mir in Zoll angegeben (.205=5,207mm), vorne metrisch (4,57mm). Im Auslieferungszustand scheinen die hinteren Bremsscheiben also dicker zu sein als die vorderen. Die Werte bei meinen Scheiben sind nach 24000 km hinten 5,9 mm, vorne 5,0 mm. Dem äuβeren Anschein nach präsentieren sie sich als quasi neuwertig: kein Relief, keine Kanten. Wäre für den menschlichen Charakter nicht unbedingt ein Qualitätsmerkmal.


                    11. Kraftstoffleitungen überprüfen

                    Undichtigkeiten der Benzinleitungen müssten sich eigentlich im täglichen Betrieb geruchsmäβig bemerkbar machen. Wir wollen dem Wartungsplan aber b-u-c-h-s-t-a-b-e-n-t-r-e-u folgen und schlüpfen in die Haut eines pedantischen TÜV-Prüfern aus den Siebzigerjahren. Kritischer Blick unter den Tank. Wohin mit der Zigarre? Ist die Druckleitung vom Tank zur Einspritzung in gutem Zustand? Gibt es irgendwo Leitungen und Verbindungen, die nicht ganz perfekt aussehen? Wie steht es mit der Verbindungsleitung zwischen den beiden Tankhälften? Sitzen die Halteklemmen korrekt? Mist, alles perfekt. Der TÜV-Prüfer macht ein schlechtgelauntes Gesicht und nimmt einen tiefen Schluck aus dem Glas. Harley ist auch nicht mehr das, was es mal war.


                    12. Reifen kontrollieren

                    21.30 Uhr. Reifen sollten ja eigentlich einer ständigen Kontrolle unterliegen. Ich wische mit der Handfläche über die Lauffläche des Vorderreifens – eine Geste die ich bei Reifenfachleuten so sympatisch finde. Die Pfeile auf den Reifenflanken der Dunlop Serienreifen geben den Ort an, wo sich auf der Lauffläche Abnutzungsindikatoren befinden. Werden diese erreicht, sind es an dieser Stelle nur noch 0,8 mm Profiltiefe – Zeit also, den Reifen zu wechseln.

                    0,8 Promille sind bei mir lange überschritten. Die Kassette könnte ich mal wechseln. Jethro Tull. Mein Hinterreifen hält bei veteranenmäβiger Fahrweise etwa 11000 km, der Vorderreifen ist bei dieser Laufleistung „Too Old to Rock’n Roll, too Young to Die“. Nirgends sollten die Reifen sichtbare Beschädigungen oder unnatürliche Abnutzungen vorweisen. Kommt einem bei der Kontrolle irgendetwas suspekt vor, ist es immer gut, sich Rat vom Reifenfachmann zu holen. Meiner hat seinen Betrieb gleich neben der Winzergenossenschaft. Ich schaue öfters mal bei ihm vorbei, nur so, wenn ich zufällig dort vorbei komme.

                    Ach ja, den Luftdruck beider Reifen sollte man beim Wartungsdienst natürlich auch nicht vergessen: bei der FXDC sollen es vorne 2,06 bar, hinten 2,48 bar sein, auβer, man ist zu zweit unterwegs – dann geht man hinten auf 2,75 bar. Auch Weinen tut es gut, wenn man sie vor dem Verkosten atmen lässt. „Locomotive Breath“, nochmal und doppelt so laut.


                    13. Elektrische Schalter und Elemente auf Funktion prüfen

                    22 Uhr.
                    Nüchtern betrachtet verdiente dieser schöne Tag noch eine kleine Abschiedsfeier: Licht aus – womm. Spot an – ja! Standlicht/Fernlicht, Rücklicht, Bremslicht (über Vorder- und Hinterbremse), Blinker links, Blinker rechts, Hupe… Disco! Jetzt Chic, „Good Times“ – acht Minuten, ein Mordsspaβ!

                    Ich nehme wieder Platz auf meinem Gartenstuhl und lehne mich zurück. Die Warnblinkanlage erleuchtet rhythmisch die Werkstatt. Zeit, unendlich viel Zeit. Alu und Chrom. Nein, es ist nicht nur ein Haufen Eisen, sonst könnte man nicht so lange in Anbetung davor sitzen, rauchen und still zufrieden sein. Prost! Auf alle professionellen Harley-Schrauber, die dieses Programm immer in drei Stunden durchziehen müssen.


                    14. Probefahrt: Funktion aller Teile und Systeme überprüfen

                    Heute nicht mehr. Morgen.
                    [Aber natürlich hat alles perfekt funktioniert].

                    Gruβ,
                    Uwe.

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                      #11
                      AW: Harley Wartung und Reparatur (2), 24000km Inspektion

                      Epilog

                      Herrlich, wie das Leben manchmal spielt. Wann schrieb ich meinen Bericht zur Inspektion? Vor vier Tagen. Heute, Mittwoch, bin ich mit einer Panne mitten in der Pampas zwischen Béziers und Montpellier liegen geblieben.

                      Kurz nach der Stadtausfahrt Béziers erste Symptome: kaum spürbare kleine Aussetzer im Übergang von Standgas zu Teillast. Ein kleiner Ruck und es ging weiter. Komisch – wird schon nichts gewesen sein. Weiter. Dann auf freier Strecke, so bei 90 km/h, ein erster echter, klassischer Aussetzer. Weiter. Vor dem nächsten Kreisverkehr, im Schiebebetrieb, ein ungewöhnlich hohles Motorgeräusch. Kein Standgas, keine Zündung. RROoooo.

                      Und dann sehe ich es: während die Geschwindigkeit abnimmt, setzt auch der Tacho zeitweilig ganz aus. Also etwas Elektronisches. Mist – unmöglich, hier stehen zu bleiben. Weiter. Die Aussetzer kommen immer regelmäβiger. Ich beginne, mir um den Katalysator Sorgen zu machen und halte an. Im Standgas geht es besser. Motor aus – vielleicht muss irgendetwas reinitialisiert werden. Der Motor startet normal, weiter. Aber nach kurzer Strecke geht es wieder los.

                      Was tun? Anhalten und sich zur nächsten Werkstatt transportieren lassen? Hart. Ich versuche es nochmal. Auch der Anlasser hat nun Schwierigkeiten durchzudrehen. Aber er schafft es noch einmal. Der Motor läuft. Ich komme 10 Kilometer weiter, immer wieder mit Aussetzern. Noch 15 km bis nach Hause. Dann auf einmal, fast wie erwartet mitten in einem Wäldchen (wo sonst?), Schluss, Aus, Ende – nichts mehr. Keine Zündung, keine Kontrolllampe – nichts. Während es langsam dunkel wird, dämmert es mir: Motoraussetzer, Tachoaussetzer und schlieβlich Aussetzer des Anlassers… Die Spezialisten unter euch haben es längst erraten.


                      Bevor ich zum Ende der Geschichte komme, kurz zurück zu meinem Inspektions-Bericht.

                      Wie schrieb ich dort so schön? Batterie: „Einen echten Test unter Last habe ich mir […] erspart, aber zum Spaβ doch einmal das Voltmeter daran gehalten. 12, 77 Volt – das ist perfekt. Auch sieht sonst alles an dieser Batterie wie neu aus: keine Risse, blitzsaubere, korrosionsfreie Kontakte, neuwertige Befestigungselemente. Batteriekastendeckel wieder einhängen und festschrauben. Fertig.“

                      Was habe ich vergessen, ich Idiot?

                      Aus dem Wäldchen schob ich mein Bike einen halben Kilometer weiter bis zu einem Haus. Bordwerkzeug hatte ich natürlich auch keines dabei. Dort lieh man mir einen Kreuzschlitz-Schraubendreher, mit dem ich den Batteriekasten-Deckel entfernte. Tja, was soll ich noch lange herum reden? Der Massekontakt war lose.

                      Ja, die Schrauben der Batteriekontakte nachzuziehen, hatte ich vergessen, ich Idiot.

                      Moral: kleine Wartungssünden bestraft der liebe Gott sofort.

                      Gruβ,
                      Uwe.

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                        #12
                        Re: Harley Wartung und Reparatur (2), 24000km Inspektion

                        Ganz ehrlich Peter, ich genieße und erkenne mich immer und immer wieder wenn ich solch kleine Geschichten lese :-D

                        saludos aus Valencia ;-)

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