Fahren in der Gruppe
Das ist der vorerst letzte Teil der Serie über Harley Fahrtechnik. Das Fahren in einer Gruppe setzt voraus, daß die teilnehmenden Mitfahrer bereits eine gewisse Grundfertigkeit im Kurvenfahren, Bremsen und Anfahren haben. Der interessierte Leser wird gebeten, diese Kapitel zu Rate zu ziehen.
Hier wird es jetzt wirklich nur um die Besonderheiten von Gruppenfahrten gehen.
Vor der Fahrt
Die Technik
Bevor es losgeht, sollte bei allen Bikes Öl, Luftdruck und Benzin überprüft werden. Alle Bikes müssen vollgetankt sein. Es schadet auch nicht, wenn der verantwortliche Leader (derjenige, der vorne fährt) eine kleine Taschenlampe dabei hat und einen kurzen Blick auf die Bremsbeläge der teilnehmenden Maschinen wirft. Besonders die Hinteren sind anfällig für Verschleiss. Auch das Reifenprofil sollte noch gut genug für die Reise sein.
Wenn es um eine längere Tour über mehrere Tage geht, sollten die Bikes auch eine frische Inspektion hinter sich haben. Ich hatte mal eine BMW800 in der Gruppe, bei der ich nacheinander (während der Tour) den undichten Wasserkühler repariert, Öl nachgefüllt, die Kettenspannung eingestellt und das Lenkkopflager justiert habe. Nur weil der entsprechende Teilnehmer sich die Inspektion sparen wollte.
Jeder Mitfahrer sollte wissen (und es auch schriftlich haben), wie die Harley Alarmanlage abgeschaltet wird, wie der Alarm manuell deaktiviert werden kann und wie die passende PIN ist. Diese Informationen findet man im Fahrerhandbuch. Sollte die PIN verloren gegangen sein, kann der Händler eine neue aufspielen. Im neueren Handbuch ist eine Erinnerungszettel zum heraustrennen vorbereitet.
Es zeigt sich immer wieder, dass irgendein Bike sich zwischendurch weigert, den Alarm FOB (den Anhänger) zu akzeptieren und das Starten verweigert. Dann muss man in der Lage sein, die Alarmanlage mit Hilfe der Blinker freizuschalten. Sonst kann man nicht weiterfahren. Das passiert dann meist bei strömenden Regen, und der besagte Zettel ist ganz unten im Gepäck.
Sollte man eine Panne haben und abgeschleppt werden, muss die Sirene abgeschaltet werden, sonst jault sie die ganze Zeit auf dem Abschleppwagen.
Und wenn man schon so einen Zettel hat, dann notiert man sich darauf auch gleich den richtigen Reifendruck Vorne und Hinten sowie (falls vorhanden) den richtigen Druck für die Luftgestützten Dämpfer.
Die Ausrüstung
Jeder Teilnehmer hat seinen Regenkombi griffbereit verstaut. Bei einem Halt wegen aufkommendem Regen muss der Wechsel zum Regenkombi zügig passieren. Das Gepäck ist sicher verstaut und fest mit dem Bike verbunden. Jeder Teilnehmer hat eine Warnweste und ein Erste Hilfe Set für Motorräder dabei. Das ist in manchen Ländern sogar vorgeschrieben. Eine kleine wasserdichte Taschenlampe (LED) nützt nicht nur bei Pannen, sondern hilft auch bei Besichtigungen von alten Burgen, die dunklen Ecken auszuleuchten.
Das die Papiere dabei sind (Personalausweis, Fahrzeugpapiere, evtl Freigaben) muss zwar eigentlich nicht erwähnt werden, aber ein kurzer Check schadet nicht. Besser als an der Grenze kontrolliert zu werden und festzustellen, dass ein Teilnehmer seinen Personalausweis vergessen hat. Besonders ärgerlich an einer Auslandsgrenze (Österreich/Tschechei). Da die Grenzkontrolle für Biker selten sind (wir werden i.A: durchgewunken) merkt man das erst in wirklich unangenehmen Locations. Viele Hotels im Ausland wollen den Personalausweis zum einchecken und behalten ihn dann bis zur Abreise. Nicht im Hotel vergessen!
Bei längeren Touren sollte mindestens ein Teilnehmer mit entsprechendem Gepäckraum etwas Werkzeug für Unterwegs mitnehmen, Zündkerzen, 1-2l Motoröl, faltbarer Trichter, Gepäckgummis und ganz wichtig: genügend Kabelbinder in verschiedener Länge. Man glaubt gar nicht, wieviele Defekte man mit Kabelbindern beheben kann. Wenigstens bis zur nächsten Werkstatt. Ich selber habe Blinkerbirne, Abdeckung für den Blinker und eine H4 Leuchtmittel dabei. Gerade wenn man die schwarz gefärbten Blinker hat, sollte man eine der gelb gefärbten Birnen dabei haben. Die sind nicht leicht zu bekommen.
Der kleine Harley Strassenatlas mit dem Verzeichniss aller Harley Händler in Europa ist gleichfalls nützlich. Auf meinem GPS sind die Koordinaten der Harley Händlerebenfalls fest installiert.
HOG-Koordinaten
Wenn Touring Bikes mitfahren, sollte auch ein 36mm Steckschlüssel im Werkzeug dabei sein. Sollte es unterwegs eine Reifenpanne geben, und ein Bike in die nächste Motorrad-Werkstatt geschleppt werden, dann ist nie ganz sicher, ob diese Werkstatt so eine Größe zum Lösen der Achsmutter überhaupt hat.
Jeder Mitfahrer muss eine gültige Kreditkarte dabeihaben, mit der man Tanken kann und auch die MAUT-Gebühren bezahlt. Zwei Karten sind besser. Man sollte auch die PIN der Kreditkarte wissen, da im Ausland die automatischen Zapfsäulen immer den PIN-Code abfragen.
Zu guter letzt sollte jeder Teilnehmer eine ADAC Plus Mitgliedskarte im Geldbeutel und eine Kraftfahr-Rechtschutzversicherung (muss nicht vom ADAC sein) abgeschlossen haben. Die HOG-Versicherung, die mit einer neuen Harley dabei ist, hat sich nicht wirklich bewährt. Und wenn man noch mehr Schutz braucht, dann eine Auslands- Krankenzusatzversicherung. Das ist etwas anderes wie die beim ADAC bereits enthaltene Unfallversicherung.
Die Route
Die Zubringerfahrten zu attraktiven Zielen werden am besten über die Autobahn gemacht. Wenn man die Landstrasse wählt, muss man berücksichtigen, dass eine Gruppe eine deutlich geringere Durchschnittsgeschwindigkeit wie ein einzelnes Bike hat. Das wirkt sich auch auf die Tagesetappen aus. Wenn man mit einer Gruppe 300km Tagesetappe schafft, hat man es fast schon übertrieben.
Zu langes Fahren desmotiviert die Teilnehmer und führt zu Unmut und Konzentrationsschwäche. Besonders bei Hitze oder Regen. Und was nützt einem das schönste Hotel mit vorreserviertem Dinner und Swimming-Pool, wenn man erst um elf Uhr abend eintrudelt und nur noch eine kalte Platte zu Essen bekommt?
Der führende Leader sollte unbedingt ein GPS an Bord haben. Und sich natürlich auch gut damit auskennen. So kann er während der Fahrt alternative Routen wählen, oder sich die nächste Tankstelle oder die nächste Gaststätte heraussuchen. Ich habe auf meinem Zumo 660 die Farbe der Darstellung so modifiziert, dass Überlandstrassen (kleiner als Bundesstrassen) in Grün dargestellt werden. Genau diese Strassen sind es, die landschaftlich attraktiv und besonders geeignet für Motorräder sind. Auf diesen Strassen kann man grosse Entfernungen zurücklegen, aber ohne störenden Verkehr. Die Bundesstrassen sind oft mit Lastern überfüllt.
Man sollte wenn möglich auch Verbindungsstrassen zu Autobahnen meiden. Und auch die Ost-West Verbindungen in den Alpen. Diese sind regelmässig überfüllt und wenig spassig.
Grössere Städte sind zu umfahren, auch wenn das 20km mehr Fahrt bedeutet. Mit einer Gruppe im Feierabend Stop-and-Go Verkehr gefangen zu sein, macht keinen Spass. Und jede Ampel kostet massiv viel Zeit und birgt die Gefahr in sich, dass die Gruppe auseinander reisst. Zudem sind Städte gerade im Sommer stinkig, heiss und ätzend. Dafür hat man sich kein Motorrad angeschafft. Meist gibt es zu den Städten Umgehungsstrassen, die aber vom GPS nicht automatisch gewählt werden. Die muss man manuell raussuchen. Ganz grosse Städte bieten oft die Möglichkeit, auf einer Autobahn an ihnen vorbeizukommen. Das ist trotz eventueller Maut die bessere Alternative.
Jeder weitere Teilnehmer, der auch ein GPS hat, sollte gleichfalls das Ziel der Etappe programmiert haben. Am besten gleich die Adresse des Hotels oder des Campingplatzes. Sollte sich die Gruppe wider erwarten verlieren, übernehmen die Fahrer mit dem GPS die Führung der Splittergruppen und führen sie zum Ziel.
Die Etappen
Das Motorrad mit der geringsten Reichweite gibt die maximale Etappenlänge vor. Das sind meistens die Sportster. Wenn es eine Sportster mit "grossem" Tank ist, sollte man nach 150km Tanken. Bei kleinem Tank sind es nur 100km. Dynas schaffen 200km, Touring Bikes 250km. Natürlich ist dann noch etwas im Tank, also kann man im Notfall auch noch weitere 50km (und mehr!) fahren.
Es ist eine gute Idee, etwa jede Stunde eine PinkelPause zu machen. Besonders wenn Damen mitfahren. Wenn immer möglich wird diese Rast mit einer Tankpause kombiniert.
Das Tanken
An der Tankstelle wird immer vollgetankt. Am besten stellen sich zwei (oder drei) Bikes zusammen an eine Zapfsäule und tanken, indem sie den Rüssel weitergeben. Nach dem Bezahlen kann man dann die Beträge auseinander dividieren. Das spart Zeit und Platz.
Nach dem Tanken wird die Zapfsäule sofort geräumt und das Bike so abgestellt, dass es die anderen Verkehrsteilnehmern nicht behindert. Erst DANACH kann man weglaufen, um etwas zu Trinken, zu Schwätzen oder sein Geschäft zu erledigen. Zündschlüssel nicht an der Maschine vergessen! Jeder glaubt, der Andere bleibt da und passt auf, und auf einmal sind alle weggerannt und da stehen die Bikes, teilweise noch mit Licht an und steckendem Schlüssel...
Man sollte die oben genannten Maximaletappen der Bikes nicht ohne Not überschreiten. Es ist zwar noch mindestens 50km mehr möglich, aber manchmal findet man nicht sofort eine Tankstelle. Oder sie wurde mitlerweile zugemacht. Oder der Automat nimmt keine deutschen Kreditkarten. Und mit der Reserve auf Tankstellensuche im wenig besiedelten Südfrankreich zu gehen, ist kein Spaß.
Für die Tankautomaten sollte man auch immer ein paar 10-Euro Scheine in Reserve haben. Die werden eigentlich immer akzeptiert. Und das kann reichen, um bis zu einer "richtigen" Tankstelle zu kommen. Im Notfall kann man auch einen Autofahrer fragen, ob er im gegenzug zu Bargeld das Tanken auf seiner Kreditkarte zulässt. Das muss aber nicht immer klappen.
Vor eine Bergetappe oder einem grossen Pass wird IMMER getankt, auch wenn man noch locker 100km fahren kann. Wer glaubt, er könne nach dem Pass noch tanken (wenn es sich "lohnt"), wird öfter mal bitter enttäuscht. Ich habe sogar schon erlebt, dass ein angeblich freier Pass einfach mittendrin gesperrt war. Dann darf man den ganzen Weg wieder zurückfahren. Nix mit Tanken in Italien...
Getankt wird immer der beste Sprit, den die Zapfsäule hergibt. Wenn es 100 Oktan gibt, dann dieses. Wenn das beste das 98 Oktan ist, dann jenes. Und wenn gar nix anderes da ist, das "normale" Super. Gerade im Ausland weiss man nie, welche Plörre einem verkauft wird. In Frankreich zum Beispiel ist fast jedes Superbenzin E10. Natürlich ohne Rührprotokoll oder besonderen Hinweis.
Das Waschen
Irgendwie sind die Mücken in Südeurope aggressiver zu Lack und Aluminium als bei uns. Wenn man das Zeug zu lange drauflässt, hat man im nächsten Jahr kleine hässliche Rostnarben. Deshalb fahre ich bei grösseren Touren alle 3-4 Tage eine Münz-Waschstrasse an und spritze das ganze Mückengetier ab. Besonders vorne, von der Scheibe, der Gabel, dem vorderen Tank. Den Rest des Bikes kann man natürlich gleich mitabsprühen.
Es lohnt sich, auch wieder eine Lage Wachs mit dem Dampfstrahler aufzubringen. Wenn man am Schluss mit den demineralisierten Wasser absprüht, bleiben keine Wasserflecken.
Die Gruppengrösse
Eine ideale Motorradgruppe hat eine Grösse von 6-7 Fahrern. Bis 10 geht es noch, danach wird es Mühsam. In diesem Fall empfiehlt es sich, die Gruppe in kleinere Gruppen aufzuteilen, die jeweils ihren eigenen Leader und Tail haben. Ganz grosse Ausfahrten mit 100 oder mehr Bikes sollten sowieso vorher mit den Behörden abgesprochen sein.
Die Einweisung
Bevor die Fahrt losgeht, also jeden Morgen, werden alle Fahrer zusammengerufen und der Leader macht eine Einweisung. Er gibt die Strecke bekannt, erklärt die verwendeten Handzeichen und Lichtsignale und spricht Schwierigkeiten und Probleme an, die am Vortag aufgetreten sind (alles, was er auf keinen Fall wieder im Rückspiegel sehen will...).
Jeder Fahrer wird auch nochmal auf seine Eigenverantwortung, das Einhalten der Regeln und auf die Verantwortung für den ordnungsgemässen Zustand seines Bikes hingewiesen.
Grundsätzlich sollten auch alle wichtigen Telefonnummern (Leader, Tail, ADAC) unter den Mitgliedern verteilt werden.
Erst wenn alle Unklarheiten beseitigt sind, gibt es das Signal zum Aufsitzen.
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© 2011, Peter Viczena
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