In diesem Teil wird es darum gehen, welchen Einfluss die einzelnen Cam-Werte auf die Motorcharakteristik hat. Da wir eine Harley fahren, sind wir vor allen Dingen an Drehmoment interessiert. Die Mechanik (Stösselstangen) und die Lauflänge der Kolben verhindern einer Drehzahl über 6500rpm im Dauerbetrieb. Deshalb kommt eine Leistungssteigerung durch Erhöhung der Drehzahl, wie bei anderen Motorrädern, nicht in Betracht.
An den Anfang will ich nochmal dieZusammenfassung der wesentlichen Werte stellen. Eine detailierte Erläuterung gibt es in:

Schwingungsprobleme:
Die Bewertung von Cams ist eine echte Wissenschaft für sich, da immer viele Faktoren eine Rolle spielen. Dummerweise sind es immer Faktoren die zeitkritisch sind, und deshalb einer linearen Berechnung nicht zugänglich sind. Wir würden da in den Bereich komplexer gekoppelter Differentialgleichungen reinkommen. Das dies nicht simpel ist zeigt der Umstand, dass auch in der Industrie zigtausend Prüfstandläufe und Messungen gemacht werden, bevor ein neuer Motor auf den Markt kommt.
Einfach gesagt: Wir haben es bei der Luftsäule, die durch den Motor bewegt wird, mit einem schwingenden System zu tun. Und genausowenig, wie man eine wohltönende Stradivari Geige nur durch Berechnung der Aussenmasse und der Holzdicke hinbekommt, geht das beim Tunen eines Motors durch die Nockenwellen. Auch bei einem Motor kommt es endeffektlich auf den Wohlklang aller beteiligten Komponenten an. Also darauf, dass die Harmonien perfekt zueinander passen.
Das Wissen auf diesem Gebiet besteht oft nur aus jahrelange Erfahrung, die durch zig hundert Tests und Prüfstandläufe erworben wurde. Und diese Erfahrungswerte sind kostbar und werden selten publiziert. Mal unabhängig davon, dass ein Konglomerat von Erfahrungen gar nicht konsistent in einem Artikel dargestellt werden kann.
Deshalb werde ich mich auf das beschränken, was ich bislang selber als Nockenwellenerfahrung habe. Ich werde versuchen, die Characteritik der Einzelnen Cams herauszuarbeiten und damit eine Anleitung geben, wie man auch alle anderen Cams einordnen kann.
Meine Ratschläge beziehen sich auf den Fall, dass man eine Drehmomentstarken, von ganz unten ziehenden Motor will, der ein breites Drehmomentband hat und auch Tourentauglich ist. Also ein Motor, der Spass macht.
Ich mache die Leistung der Cam an den drei Werten Overlap, Lift und Duration fest. Im Einzelnen gehe ich auch auf Unterschiede im Timing ein. Man könnte natürlich beliebig viel berücksichtigen, aber das würde mehr verwirren als klarstellen. Und keiner würde es mehr ohne Not lesen wollen. Für den, der es doch genauer wissen wiil, gibt es im Anhang ein paar interessante Links zum nachlesen.
Overlap:
Wie man (bei den meisten) Cams sieht, überlappen sich die Zeiten Von Ein- und Auslassnocke. Der Wert ist der Overlap und er kann von -10° bis 60° gehen. Wenn der Gradwert negativ ist, stehen die Ein- und Auslassnocke um genau diese Gradzahl auseinander.
Warum braucht man Overlap? Nach dem Zünden will der Motor die Abgase los werden. Er drückt den Kolben also hoch, die Auslassnocke ist geöffnet, und das heisse Gas strömt in den Auspuff. Wenn der Kolben ganz oben ist, also den OT erreicht hat, dann ist aber immer noch etwas Abgas im Brennraum. Deshalb bleibt die Ausgangsnocke noch ein bischen länger offen. Die Gassäule des Abgases hat noch eine Restgeschwindigkeit. Deshalb neigt sie dazu, weiter auszuströmen. Auch wenn sich der Kolben wieder nach unten bewegt und eigentlich wieder das Saugen anfängt.
Die Eingangsnocke macht üblicherweise schon auf, bevor der OT erreicht ist. Wenn die Abgas-Luftsäule schnell genug ist, tritt trotz des Pumpeffektes des Kolbens kein Abgas in den Luftfilter.
Im Effekt wird dadurch frisches Gas durch den entstehenden Unterdruck eingesaugt; der Brennraum wird mit Frischgas "gespült". Damit ist mehr zündfähiges Gemisch im Brennraum, was mehr Leistung bedeutet.
Wenn die Ausgangsnocke aber zu lange auf ist, und der Motor langsam läuft, dann wird der runterfahrende Kolben das Abgas auch wieder einsaugen. Die Abgas-Luftsäule wäre dann nicht schnell genug, um dem Kolbensog zu "widerstehen". Dasselbe passiert, wenn die Eingangsnocke zu früh öffnet. Dann würde das Abgas durch den Einlass in den Luftfilter gedrückt. Es wäre wieder weniger als die maximal mögliche Frischluftfüllung vorhanden, das Drehmoment lässt nach. Solange der Overlap unter 30° bleibt, produziert die Nockenwelle eine gutes Drehmoment im unteren Drehzahlband. Genau das wollen wir ja.
Wenn der Motor schnell genug läuft, ist das aber kein Problem, die Abgasluftsäule hat dann eine genügend hohe Geschwindigkeit. Deshalb gilt: Je grösser der Overlap. Desto mehr verschiebt sich die Drehmomentkurve in die höheren Drehzahlen.
Es kann sich jeder denken, dass die genauen Start- und Endwinkel des Overlap mit dem gesamten Luftsystem (Lufi, Auspuff, Kompression) harmonieren muss. Genau dieser Abgleich wird bei Motorentunern auf dem Prüfstand gemacht. Wenn man ein fertiges Tuningpaket kauft (zum Beispiel SE Stage-II), dann kann man sich im Allgemeinen darauf verlassen, dass der Anbieter diesen Abgleich bereits gemacht hat, und die Kombo funktioniert. Sie muss aber nicht die optimale Lösung sein. Vor allen Dingen nicht, wenn man noch Umweltauflagen einhalten wil/muss.
Wenn Beispielsweise der Auspuff zu wenig Rückstau hat, dann bietet er dem zurückströmenden Abgas zu wenig Widerstand. Und statt Frischluft aus dem Luftfilter wird Sauerstoffarme Plörre in den Zylinder strömen. Das nennt man den EGR Effekt. Näheres:
Ein weiterer willkommener "Nebeneffekt" der Spülung durch Frischluft ist, dass das Auslassventil und der Brennraum durch die kalte Frischluft gekühlt werden. Eine "heissere" Nocke kann also durchaus zu einem kühleren Motor führen.
Tip: Wenn man die Daten einer neuen Cam sieht (Einlass/Auslass), dann muss man nur die jeweile 2 kleinsten Zahlen addieren, und man hat den Overlap berechnet.
Mein Rat: Overlap unter 30°
Valve Lift:
Die nächste Grösse ist der Lift, also wie weit die Cam das Ventil herausdrückt. Je weiter, desto mehr Gas strömt in den Brennraum. Eine Grenze ist bei 30% des Ventildurchmessers gesetzt, denn dann ist die Fläche des Randstreifens, durch den der Gasstrom fliesst, etwa gleich dem Durchmesser der Ventils. Erfahrungsgemäss gibt es ab 30% keinen messbaren Zuwachs an Drehmoment mehr.
Genauer gesagt sollte der Quotient L/d (Lift/durchmesser Ventil) nicht grösser als .30 sein. Bei Rennmässig ausgelegten Maschinen darf es auch .36 sein. Der Durchmesser des Harley Ventils ist rund 1.8", also ist 0.540" der maximal sinnvolle Ventilhub, über den hinaus kein wesentliche Erhöhung der Druchflussrate mehr zu erwarten ist. Der Screaming Eagle Zylinderkopf hat einen Ventil-Durchmesser von 2,08". Der könnte also Nockenwellen mit einer Hubhöhe von 0,624" vertragen.
Mal abgesehen davon, dass ein noch höherer Ventilhub Platzprobleme im Brennraum bringt, ist das der Grund, weshalb Cams mit deutlich mehr als 0.600" in strassentaugleichen Maschinen kaum verbaut werden. Zudem können Cams mit einem Lift über .600" eine Nacharbeitung des Gehäuses erforderlich machen.
Bei manchen Zylinderköpfen sind verlängerte Ventilführungen montiert, welche die maximale Ventilbewegung einschränken. Zum Beispiel können die 110 CVO Köpfe 27800-08A und 27801-08A nur maximal 0.596" an Lift vertragen. Grundsätzlich gilt für alle Köpfe: Der freie Weg des Ventils sollte um mindestens 0.080" länger sein als der Lift der Nockenwelle. Im Ernstfall sollte man deshalb bei Nockenwellen über 0.600" den freien Ventilweg im Kopf vermessen.
TT372.pdf - File Shared from Box - Free Online File Storage

Mehr Luft kommt auch dadurch in den Brennraum, dass die Ventilführung dünner wird. Bei den Köpfen ab Baujahr 07 (TC96), hat man auf die dünneren 7mm Schäfte verwendet, die schon seit ´04 in den TC88 Köpfen verbaut waren. Das hatte neben anderen Massnahmen zur Folge, dass trotz des etwas kleineren Ventildurchmessers der Gasdurchfluss gegenüber den Prä-7mm-Ventilschaft-Köpfen um rund 10% gestiegen ist.
Bei Cams mit einem Lift über 0.58" raten die meisten Experten zum Einbau von Getriebe gesteuerten Nockenwellen, da sonst die auftretenden Beschleunigungskräfte zu hoch werden. Mit den ab ´07 verbauten hydraulischen Steuerketten kann man diesen Bereich auch noch etwas hinaufziehen (man sagt bis zu 0.650"). Von da ab muss man unbedingt stärkere Ventilfedern nehmen, die dann den Einsatz des Getriebes zwingend nötig machen.
Weiterhin kann die Verwendung von Nockenwellen über 0.60" die Verwendung von Rollenkipphebeln und längeren Ventilfedern nötig machen. Das sollte man in der finanziellen Abwägung berücksichtigen.
Mein Rat: Valve Lift unter 0.600", besser unter 0.580".
Duration:
Wesentlich für die Leistung ist, wieviel Luft durch die Ventile in den Zylinder fliesst. Logisch. Der erste Weg ist mehr Lift (s.o.). Damit werden die Rampen, denen der Stössel rauf und runter folgen muss, immer steiler. Die Beschleunigung der Stösselstangen und der Ventile steigt. Deshalb braucht man dann stärkere Ventilfedern, damit die Ventile nicht wild durcheinanderfliegen und weiterhin geordnet schliessen. Das erhöht natürlich die Belastung auf den ganzen Ventilapparat und fördert den Verschleiss. Bei Rennmotoren, die sowieso ständig zerlegt werden, spielt das keine Rolle. Wer eine tourentaugliches Bike haben will, sollte sich da lieber beschränken.
Mehr Luft wird aber auch durch eine längere Öffnungszeit erreicht. Dazu macht man die Nocken "dicker". Gleichzeitig sinkt damit die "Steilheit der Rampe". Die Belastung der Federn und die Beschleunigungskräfte des Ventiltriebs sinkt, wodurch man höhere Drehzahlen realisieren kann.
Die Steilheit dieser Rampe wird durch Dicke der Nocke bestimmt. Das ist die Duration. Je grösser die Duration, desto dicker die Nocke. Bei der Ausformung der Rampen ist zu beachten, dass man die Ventile am Anfang und am Ende ihrer Bewegung "sanft" anheben bzw. absenken sollte. Bei dem Eingangsventil ist das nicht ganz so kritisch. Das Auslassventil dagegen ist rotglühend. Wenn es beim schliessen zu schnell wieder auf den Kopf aufschlägt, kann es zu Verformungen und frühzeitigen Schäden kommen. Deshalb wird man nicht umhin kommen, die Beschleunigung eines grossen Lifts durch die gleichzeitige Erhöhung der Duration zu kompensieren.
Ein weiterer positiver Effekt von höherer Duration ist die Kühlung des Zylinders (speziell des Auslassventils). Es fliesst einfach längerer Zeit kühle Ansaugluft durch den Zylinder, was zu einem messbaren Kühlungseffekt führt. So kann es sein, dass eine "schärfere" Nockenwelle zu einem kühleren Motor führt.
Eine hohe Duration führt zu einem grösseren Overlap, und/oder auch zu ein einem grösseren ABDC Wert, welcher wesentlichen Einfluss auf die dynamische Kompression hat (s.u.). Bleiben die Ventile zu lange auf, hat man massive Strömungsverluste (heisst Drehmomentverluste) im unteren Drehzahlbereich. Bei hohen Drehzahlen werden die Strömungsbedingungen im Zylinder durch eine hohe Duration unvorhersehbar.
Duration Werte unter 220° sind kindisch. Bei etwa 250° ist die Grenze, bei der es noch normal zugeht. Bei 295° hat man "HighEnd" Nocken, die nur noch für die Rennstrecke gut sind.
Mein Rat: Duration unter 250°
Dynamische Kompression:
Bei den technischen Angaben eines Verbrennungsmotors wird üblicherweise die Statische Kompression angegeben, die man einfach aus Bohrung und Hub ausrechnen kann. Sie liegt bei TC Motoren zwischen 8.8 und 9.3. Sie ist deshalb so niedrig, weil die standarmässigen TC Motoren ohne Ölkühler ansonsten Temperaturprobleme bekommen würden. Mann kann mit unserem Benzin aber durchaus eine statische Kompression von 10.0 bis 10.5 vertreten, insbesonderen wenn man eine EFI mit "Knock Control" hat (und einen Ölkühler und eine heruntergesetzte AFR hat). Das würde die Drehmomentverluste im unteren Drehzahlband ausgleichen und im mittleren und hohen Drehzahlbereich für noch mehr Drehmoment sorgen.
Der Begriff der dynamischen Kompression hängt eng mit der Duration zusammen. Man nennt sie auch oft "korrigierte Kompression". Je länger das Einlassventil aufbleiben soll (je grösser also dadurch die Duration ist), desto "dicker" wird auch die Nocke sein müssen. Das führt dazu, dass das Einlassventil anfangs noch offen ist, während sich der Kolben schon wieder in Richtung Kompressionstakt nach oben bewegt. Solange das Einlassventil noch auf ist, kann der Kolben natürlich nicht komprimieren. Es geht also etwas von der maximal erreichbaren Kompression verloren. Dieser Effekt ist bei geringen Drehzahlen besonders ausgeprägt, bei mittleren und höheren Drehzahlen sorgt die Trägheit der angesaugten Luft dafür, dass sich die "Lücke" schneller schliesst, als sich die Gassäule wieder rückwärts in Bewegung setzen kann. Dann wird also die dynamische Kompression gleich der statischen.
Bei den Daten der Nockenwelle spielt deshalb der Wert ABDC (der zweite Wert für die Einlassnocke) eine besondere Rolle. Er gibt die Gradzahl an, bis wann die Einlassnockenwelle nach dem UT noch geöffnet bleibt. Dieser Wert liegt normalerweise bei 35°-50°. Je grösser dieser Wert ist, desto mehr Kompressionsverluste (und Drehmomentverluste) hat man bei niedrigen Drehzahlen. Die Reaper 574 hat einen ABDC von 45°.
Ein zu kleiner Wert (wie bei der SE-255: 25°) führt übrigens dazu, dass der Anlasser beim Start einen merklich höheren Widerstand überwinden muss. Zudem ist dadurch die entsprechende Duration der Nockenwelle relativ klein, was zu fehlendem Drehmoment bei mittleren und höheren Drehzahlen führt.
Bei der Berechnung der dynamischen Kompression hat man mehrere Variablen.
1. Die statische Kompression. Das ist der Ausgangswert. Wenn ABDC <=0 ist, ist die dynamische Kompression gleich der statischen Kompression
2. Der Wert ABDC der Nockenwelle
3. Die Höhe (und damit der Luftdruck), auf der der Motor fahren soll.
4. Die Länge des Pleues. Das liegt daran, dass je nach Pleuelänge der Kolben in Relation zur Nockenwellenstellung verschieden hoch steht. Was direkten Einfluss auf die Menge der Gasverluste hat. Nur bei OT und UT macht es keinen Unterschied. Ein langer Pleuel steht während der kompletten Umdrehung der Kurbelwelle "senkrechter" wie ein kurzer Pleuel.
Aus diesen Werten errechnet man ziemlich genau die dynamische Kompression. Hier ein Web-Rechner:
Boost Compression Ratio Calculator
Bei einem Motortuning von Strassenbikes wird man weder die Länge des verbauten Pleues ändern, noch den Luftdruck, bei dem tatsächlich gefahren wird. Man kann aber den Wert ABDC der Nockenwelle aussuchen und die statische Kompression bestimmen (zum Beispiel durch Bearbeitung des Zylinderkopfes oder dünnere Kopfdichtungen). Üblicherweise hat man eine gewünschte Nockenwelle mit einem bestimmten ABDC und berechnet daraus die statische Kompression, welche notwendig ist, um die gewünschte dynamische Kompression zu erhalten (üblicherweise zwischen 9.0 und 9.5). Dabei errechnet sich bei üblichen Tuning-Nockenwelle eine notwendige statische Kompression von rund 10.5 . Das ist so ziemlich die Obergrenze, bei der man noch sauber Super Benzin (95 Oktan) fahren kann. Racing-Nockenwellen mit mehr Duration können aber schonmal eine statische Kompression von 11.0 und mehr erfordern. Da geht dann nur noch Superplus. Noch höhere Kompressionen erfordern verschärfte Massnahmen.
Hier noch ein paar interessante Links zu dem Thema:
Cam Timing vs. Compression Analysis
Tuning Engine Compression - Tech Article - Chevy High Performance Magazine
Static and Dynamic Compression
Mein Rat: ABDC zwischen 35° und 45°.
Die besprochenen Nockenwellen:
Alle Theorie ist grau. Um klarzumachen, wie einzelne Nockenwellen funktionieren, habe ich ein paar Vertreter ausgewählt, die ich selber schon verbaut habe. Nockenwellen anderer Hersteller lassen sich in dieses Raster einfügen, so dass man eine relativ gute Vorstellung davon erhält, was zu erwarten ist.
Hier ist die Liste mit den Werten der Nockenwellen, die ich besprechen werde.
Man kann sich die einzelnen Werte auch unter folgender Link ansehen:
Big Boyz Head Porting - Twin Cam Camshaft Comparator
Achtung: Die SE-204 gibt es in zwei Ausführungen. Als Bestellnummer 25149-00 für Modelle bis 06, und 25464-06 für die Modelle danach.
Die Harley Standardnockenwellen:
Im ersten TwinCam Motor, damals noch mit Vergaser, war eine sehr milde Nockenwelle verbaut. Der Lift lag bei moderaten 0.473", also im Bereich aller StrassenCam. Es gab etwas Overlap, (2°), der Einlass hat sich erst nach dem OT geöffnet. Mehr als ein marginales Spülergebniss kam dabei nicht raus. Die Duration war am unteren Ende. Halt eine milde Standardnocke.
Dann begann die Zeit, wo die amerikanische Umweltbehörde EPA ihre gierigen Finger ausgesteckt hat. Um die Abgaswerte zu optimieren, sollte man am besten gar keinen Overlap haben. Dann so bleibt ein Teil des Abgases im Brennraum und wird nochmal verbrannt. Den Trick (in inschinörqualitait) hat auch BMW mit der leidigen Abgasrückführung versucht (R100). Das geht natürlich zu Lasten des Drehmoments.
Die Cams des Baujahres ´06 hatten deshalb einen Overlap von -5.0°. Also nicht nur 0, sondern noch weniger als Null. Damit man ganz sicher sein konnte, dass ja genug Abgase übrigbleiben. Die Einlassnocke wurde deutlich weiter in den sicheren Bereich gedreht als die Augangsnocke. Aber auch die Ausgangsnocke öffnet sich erst, wenn der Kolben bereits wieder runtergeht. Ganz brav.
Das hat aber offensichtlich den Umweltwächtern nicht gereicht. Deshalb wurde es ab Baujahr ´07 noch verrückter. Die jetzigen Nockenwellen haben einen Overlap von -8.0°, damit man gaaanz gaaanz sicher geht, dass ja keine Frischluft vorzeitig einfliesst. Und die Duration der Einlasssnocke wurde auf das kindische Mass von 198° gesetzt. Das ist sowas wie eine Drosselplatte im Vergaser. Nur ja nicht zuviel Frischluft. Könnte ja die Leistung erhöhen. Da kann man am Luftfilter und am Manifold den Durchsatz erhöhen, soviel man will...
Diese Cam ist für grüne Umweltengel, die mit 40 noch bei Mutti wohnen und am Daumen nuckeln. Ein EVO Motor hätte mit diesen Steuermassen wahrscheinlich nur gespeutzt, gespuckt und wäre dann protestierend stehen geblieben. Das ist eher etwas für stationäre Wasserpumpen in Afrika.
Zugegebenermassen war mir das auch nicht klar, bevor ich mich näher damit befasst habe. Es ist eine grossartige Ingenieurleistung von Harley, dass der TwinCam Motor mit diesen Nockenwellen trotzdem noch gut läuft. Und sogar sehr viel besser als ein getunter EVO.
Ab 2014 wurden diese Kastraten-Nockenwellen gegen eine Neue ausgetauscht. Die sind in ihren Timing-Werten den SE-255 ähnlich. Die neue Standardnockenwelle hat jetzt z.b. 13° Duration. Nur der Valve Lift unterscheidet sich von der SE-255. Und schon gibt der Motor mehr Leistung ab. Soso.

Mein Rat: Standard-Cam (bis 2013) sofort ersetzten.
Die Screaming Eagle Nockenwellen:
Zum Glück gibt es ja die Tuning-Nockenwellen von Harley, die im Screaming-Eagle Sortiment geführt werden. Die SE-203 wurde verbaut, als man den TC-88 Motor auf 98cui aufgepeppt hat (Stage-II). Diese Nockenwelle hat einen üppige Overlap von 35°, zumindest die Einlassnocke hat einen höheren Lift und die Duration lag im oberen Bereich. Damit konnte man was Anfangen. Das gesamte Drehmomentband ging schlagartig nach oben, mehr Leistung im gesamten Drehzahlband. Was diese Cam nicht hatte war das Traktorbullern ganz unten raus. Dafür konnte man damit die Alpenpässe mühelos raufhetzen. Alles in allem eine mildere Cam für ein Drehmomentmaximum im mittleren Drehzahlbereich. Geeignet eher für leichtere Maschinen. Besser wäre aber sicher die SE-204 gewesen. Das ist eine SE-203 ohne EPA Einschränkungen.
Die SE-255 wird jetzt als die ultimative Nockenwellen für den aktuellen Stage-II Umbau angeboten. Schon von der Anlage her ist diese Cam auf maximalem Drehmoment im unteren Drehzahlband ausgelegt. Sie gilt als Drehmomentmonster. Als ich meine 110"CVO bekommen habe, die auch diese Nockenwelle hat, war ich von der Fahrcharakteristik eher enttäuscht. Unten rum ging zwar was, aber wenn ich auf der Autobahn mal eine Lasterreihe im 6.ten Gang überholen wollte, dann fühlte sich das an wie Kaugummi.
Woher kommt dieser Fahreindruck?
Der Overlap ist magere 13.0°, der Lift ist auf .550" angestiegen. Die Duration der Eingangsnocke wurde auf einen relativ geringen Wert von 211° zurückgenommen (wieder diese leidige Drosselung).
Man hat den Eindruck, dass auch diese Nockenwelle unter dem EPA Diktat steht. Sie wird schliesslich auch in den strassenzugelassenen 110cui CVO Motoren verbaut. Der geringe Overlap bewirkt gerade bei den 110cui Motoren, dass die dynamische Kompression sehr hoch ist, weshalb der Startermotor sich mächtig anstrengen muss. Ohne die automatische Dekompressionshilfe würde der sich gar nicht mehr drehen.
Ab dem mittleren Drehzahlbereich lässt die Cam deutlich nach. Und auch unten rum gibt es nicht den erwarteten "Überbumms". Dazu ist sie wohl noch viel zu brav. Die SE-255 ist eine Standard-Nockenwellen auf Steroiden.
Screaming Eagle SE-259E Nockenwelle
Die SE-259E läuft etwa in der Liga der Reaper 574, mit einem gewissen Hang nach höheren Drehzahlen. Sie ist der SE-255 auf jeden Fall vorzuziehen. Man könnte sagen: Die SE-259E ist das, was die SE-255 verspricht.
Diese Nockenwelle ist auch in dem neuen Stage-4 Kit für die 103cui Motoren enthalten (#92500011):
Screamin' Eagle® Street Performance Stage 4 Kit - 103 Cubic Inches | Genuine Motor Accessories | Harley-Davidson USA

Dieses Kit enthält 2 überarbeitete Zylinderköpfe (CNC gefräst), einen grossen Manifold (58mm), passende Stösselstangen, Kolben, eine verstärkte Kupplungsfeder und alle nötigen Dichtungen.
Die Zylinderköpfe zusammen mit den neuen Kolben haben eine Kompression von 10.5. Das ist die Kompression, die eigentlich jede Serienharley haben sollte, aber wegen fehlendem Ölkühler nicht hat. Das gleicht dann die Kompressionsverluste durch die ABDC der Nockenwelle von 47° aus (siehe dynamische Kompression). Angegeben werden 103PS bei 150Nm (110 lb/ft).

Mit $1850,- sicher kein Schnäppchen, aber in Anbetracht des Lieferumfangs sicher lohnenswert.
Feuling Reaper 574:
Diese Cam ist der Wood TW-7H sehr ähnlich, die gleichfalls einen sehr guten Ruf als Allround-Drehmoment-Cam hat. Die Reaper hat durch ihren geringeren Overlap aber mehr Bumms ganz unten im Drehzahlband. Die TW-7H ist mehr für Geschwindigkeit und Drehmoment im mittleren Drehzahlbereich ausgelegt.
Die Reaper 574 hat ihre Werte so optimal gelegt, wie man es nur machen kann, um gleichzeitig viel Drehmoment ganz unten UND einen weiten Drehmomentverlauf zu haben:

Mit dem 0.574" Lift kann man diese Nockenwelle noch ohne Probleme mit dem Antrieb der Nockenwellen durch Steuerketten betreiben. Sie passt auch noch problemlos in die 96cui Motoren (s.u.). Der Overlap liegt kurz unter den magischen 30%, ab denen die Cam nicht mehr optimal im unteren Drehzahlband läuft. Die Duration liegt gleichfalls an der Grenze von 250°, bis zu der ein Normalbetrieb einwandfrei möglich ist.
Meine Erfahrungen mit dieser Cam ist, dass der Startermotor deutlich leichter läuft, da die Dynamische Kompression kleiner ist wie bei der SE-255. Das wird aber durch das Mehr an Frischgas gegenüber der SE-255 deutlich wieder ausgeglichen. Aus den durch Messfahrten gewonnen VE-Tables erkenne ich im Vergleich zur SE-255 Table, dass der maximale Luftdurchsatz nochmal um 5% gestiegen ist, vorzugsweise im hinteren Zylinder. Auch die Verteilung der VE-Bergspitzen hat sich leicht zugunsten des unteren Drehzahlbandes geändert.
Mehr noch als die Messwerte überzeugen die Fahreigenschaften: Voller Anzug ab kurz nach Standgas, kraftvolles Hochdrehen, Drehmoment bis zum Ende des Drehzahlbandes. Ich kann gemütlich trekkern, aber auch Reiskocher (naja, die kleineren) auf den Alpenpässen jagen :-). So habe ich mir Harley fahren immer vorgestellt.
Dynochart TW-7 contra SE-255:
Zur Anschauung ein Dynochart der TW-7 (die der Reaper 574 ähnlich ist), mit der SE-255. Die SE-255 ist dabei der untere Graph.
Die Reaper Linie würde wie die TW-7 Linie sein, nur einfach ein Stück weiter links liegen. Das bedeutet mehr Drehmoment im unteren Drehzahlbereich.
Da kann ich zur SE-255 nur sagen: "Mythos zerstört".


Cams for Harley Davidson Twin Cam

Feuling Reaper 574 in 96cui Motoren:
Die eingebauten Ventilfedern erlauben nach Harley Werksangaben einen Valve Lift bis .569". Dass auch die Feuling Reaper 574 passt, hat mir Luke Leatherman von Feuling bestätigt:
"Yes the 574 Reaper camshaft is an excellent bolt-in on the 96" engines with the exception of needing adjustable pushrods. Feuling part #4090 pushrods work with the factory pushrod tubes."
HP+® Adjustable Pushrods at FEULINGPARTS oil pump corp
Man kann also die Reaper 574 in den 96cui Kopf einbauen. Es wird aber eventuell eine verstellbare Stösselstange fällig. Ich persönlich fahre einstellbare Stösselstangen in meiner 110cui. Und ich würde das auch jedem empfehlen.
Andere Nockenwellen für 96cui:
Hie noch eine interessante Seite, welche die Verdichtung und die maximal mögliche Duration zueinander in Beziehung bringt:
Harley-Davidson Camshaft Selector
Und hier eine Liste aller Screaming Eagle Nockenwellen:
© 2010, Peter Viczena
An den Anfang will ich nochmal dieZusammenfassung der wesentlichen Werte stellen. Eine detailierte Erläuterung gibt es in:
Schwingungsprobleme:
Die Bewertung von Cams ist eine echte Wissenschaft für sich, da immer viele Faktoren eine Rolle spielen. Dummerweise sind es immer Faktoren die zeitkritisch sind, und deshalb einer linearen Berechnung nicht zugänglich sind. Wir würden da in den Bereich komplexer gekoppelter Differentialgleichungen reinkommen. Das dies nicht simpel ist zeigt der Umstand, dass auch in der Industrie zigtausend Prüfstandläufe und Messungen gemacht werden, bevor ein neuer Motor auf den Markt kommt.
Einfach gesagt: Wir haben es bei der Luftsäule, die durch den Motor bewegt wird, mit einem schwingenden System zu tun. Und genausowenig, wie man eine wohltönende Stradivari Geige nur durch Berechnung der Aussenmasse und der Holzdicke hinbekommt, geht das beim Tunen eines Motors durch die Nockenwellen. Auch bei einem Motor kommt es endeffektlich auf den Wohlklang aller beteiligten Komponenten an. Also darauf, dass die Harmonien perfekt zueinander passen.
Das Wissen auf diesem Gebiet besteht oft nur aus jahrelange Erfahrung, die durch zig hundert Tests und Prüfstandläufe erworben wurde. Und diese Erfahrungswerte sind kostbar und werden selten publiziert. Mal unabhängig davon, dass ein Konglomerat von Erfahrungen gar nicht konsistent in einem Artikel dargestellt werden kann.
Deshalb werde ich mich auf das beschränken, was ich bislang selber als Nockenwellenerfahrung habe. Ich werde versuchen, die Characteritik der Einzelnen Cams herauszuarbeiten und damit eine Anleitung geben, wie man auch alle anderen Cams einordnen kann.
Meine Ratschläge beziehen sich auf den Fall, dass man eine Drehmomentstarken, von ganz unten ziehenden Motor will, der ein breites Drehmomentband hat und auch Tourentauglich ist. Also ein Motor, der Spass macht.
Ich mache die Leistung der Cam an den drei Werten Overlap, Lift und Duration fest. Im Einzelnen gehe ich auch auf Unterschiede im Timing ein. Man könnte natürlich beliebig viel berücksichtigen, aber das würde mehr verwirren als klarstellen. Und keiner würde es mehr ohne Not lesen wollen. Für den, der es doch genauer wissen wiil, gibt es im Anhang ein paar interessante Links zum nachlesen.
Overlap:
Wie man (bei den meisten) Cams sieht, überlappen sich die Zeiten Von Ein- und Auslassnocke. Der Wert ist der Overlap und er kann von -10° bis 60° gehen. Wenn der Gradwert negativ ist, stehen die Ein- und Auslassnocke um genau diese Gradzahl auseinander.
Warum braucht man Overlap? Nach dem Zünden will der Motor die Abgase los werden. Er drückt den Kolben also hoch, die Auslassnocke ist geöffnet, und das heisse Gas strömt in den Auspuff. Wenn der Kolben ganz oben ist, also den OT erreicht hat, dann ist aber immer noch etwas Abgas im Brennraum. Deshalb bleibt die Ausgangsnocke noch ein bischen länger offen. Die Gassäule des Abgases hat noch eine Restgeschwindigkeit. Deshalb neigt sie dazu, weiter auszuströmen. Auch wenn sich der Kolben wieder nach unten bewegt und eigentlich wieder das Saugen anfängt.
Die Eingangsnocke macht üblicherweise schon auf, bevor der OT erreicht ist. Wenn die Abgas-Luftsäule schnell genug ist, tritt trotz des Pumpeffektes des Kolbens kein Abgas in den Luftfilter.
Im Effekt wird dadurch frisches Gas durch den entstehenden Unterdruck eingesaugt; der Brennraum wird mit Frischgas "gespült". Damit ist mehr zündfähiges Gemisch im Brennraum, was mehr Leistung bedeutet.
Wenn die Ausgangsnocke aber zu lange auf ist, und der Motor langsam läuft, dann wird der runterfahrende Kolben das Abgas auch wieder einsaugen. Die Abgas-Luftsäule wäre dann nicht schnell genug, um dem Kolbensog zu "widerstehen". Dasselbe passiert, wenn die Eingangsnocke zu früh öffnet. Dann würde das Abgas durch den Einlass in den Luftfilter gedrückt. Es wäre wieder weniger als die maximal mögliche Frischluftfüllung vorhanden, das Drehmoment lässt nach. Solange der Overlap unter 30° bleibt, produziert die Nockenwelle eine gutes Drehmoment im unteren Drehzahlband. Genau das wollen wir ja.
Wenn der Motor schnell genug läuft, ist das aber kein Problem, die Abgasluftsäule hat dann eine genügend hohe Geschwindigkeit. Deshalb gilt: Je grösser der Overlap. Desto mehr verschiebt sich die Drehmomentkurve in die höheren Drehzahlen.
Es kann sich jeder denken, dass die genauen Start- und Endwinkel des Overlap mit dem gesamten Luftsystem (Lufi, Auspuff, Kompression) harmonieren muss. Genau dieser Abgleich wird bei Motorentunern auf dem Prüfstand gemacht. Wenn man ein fertiges Tuningpaket kauft (zum Beispiel SE Stage-II), dann kann man sich im Allgemeinen darauf verlassen, dass der Anbieter diesen Abgleich bereits gemacht hat, und die Kombo funktioniert. Sie muss aber nicht die optimale Lösung sein. Vor allen Dingen nicht, wenn man noch Umweltauflagen einhalten wil/muss.
Wenn Beispielsweise der Auspuff zu wenig Rückstau hat, dann bietet er dem zurückströmenden Abgas zu wenig Widerstand. Und statt Frischluft aus dem Luftfilter wird Sauerstoffarme Plörre in den Zylinder strömen. Das nennt man den EGR Effekt. Näheres:
Ein weiterer willkommener "Nebeneffekt" der Spülung durch Frischluft ist, dass das Auslassventil und der Brennraum durch die kalte Frischluft gekühlt werden. Eine "heissere" Nocke kann also durchaus zu einem kühleren Motor führen.
Tip: Wenn man die Daten einer neuen Cam sieht (Einlass/Auslass), dann muss man nur die jeweile 2 kleinsten Zahlen addieren, und man hat den Overlap berechnet.
Mein Rat: Overlap unter 30°
Valve Lift:
Die nächste Grösse ist der Lift, also wie weit die Cam das Ventil herausdrückt. Je weiter, desto mehr Gas strömt in den Brennraum. Eine Grenze ist bei 30% des Ventildurchmessers gesetzt, denn dann ist die Fläche des Randstreifens, durch den der Gasstrom fliesst, etwa gleich dem Durchmesser der Ventils. Erfahrungsgemäss gibt es ab 30% keinen messbaren Zuwachs an Drehmoment mehr.
Genauer gesagt sollte der Quotient L/d (Lift/durchmesser Ventil) nicht grösser als .30 sein. Bei Rennmässig ausgelegten Maschinen darf es auch .36 sein. Der Durchmesser des Harley Ventils ist rund 1.8", also ist 0.540" der maximal sinnvolle Ventilhub, über den hinaus kein wesentliche Erhöhung der Druchflussrate mehr zu erwarten ist. Der Screaming Eagle Zylinderkopf hat einen Ventil-Durchmesser von 2,08". Der könnte also Nockenwellen mit einer Hubhöhe von 0,624" vertragen.
Mal abgesehen davon, dass ein noch höherer Ventilhub Platzprobleme im Brennraum bringt, ist das der Grund, weshalb Cams mit deutlich mehr als 0.600" in strassentaugleichen Maschinen kaum verbaut werden. Zudem können Cams mit einem Lift über .600" eine Nacharbeitung des Gehäuses erforderlich machen.
Bei manchen Zylinderköpfen sind verlängerte Ventilführungen montiert, welche die maximale Ventilbewegung einschränken. Zum Beispiel können die 110 CVO Köpfe 27800-08A und 27801-08A nur maximal 0.596" an Lift vertragen. Grundsätzlich gilt für alle Köpfe: Der freie Weg des Ventils sollte um mindestens 0.080" länger sein als der Lift der Nockenwelle. Im Ernstfall sollte man deshalb bei Nockenwellen über 0.600" den freien Ventilweg im Kopf vermessen.
TT372.pdf - File Shared from Box - Free Online File Storage
Mehr Luft kommt auch dadurch in den Brennraum, dass die Ventilführung dünner wird. Bei den Köpfen ab Baujahr 07 (TC96), hat man auf die dünneren 7mm Schäfte verwendet, die schon seit ´04 in den TC88 Köpfen verbaut waren. Das hatte neben anderen Massnahmen zur Folge, dass trotz des etwas kleineren Ventildurchmessers der Gasdurchfluss gegenüber den Prä-7mm-Ventilschaft-Köpfen um rund 10% gestiegen ist.
Bei Cams mit einem Lift über 0.58" raten die meisten Experten zum Einbau von Getriebe gesteuerten Nockenwellen, da sonst die auftretenden Beschleunigungskräfte zu hoch werden. Mit den ab ´07 verbauten hydraulischen Steuerketten kann man diesen Bereich auch noch etwas hinaufziehen (man sagt bis zu 0.650"). Von da ab muss man unbedingt stärkere Ventilfedern nehmen, die dann den Einsatz des Getriebes zwingend nötig machen.
Weiterhin kann die Verwendung von Nockenwellen über 0.60" die Verwendung von Rollenkipphebeln und längeren Ventilfedern nötig machen. Das sollte man in der finanziellen Abwägung berücksichtigen.
Mein Rat: Valve Lift unter 0.600", besser unter 0.580".
Duration:
Wesentlich für die Leistung ist, wieviel Luft durch die Ventile in den Zylinder fliesst. Logisch. Der erste Weg ist mehr Lift (s.o.). Damit werden die Rampen, denen der Stössel rauf und runter folgen muss, immer steiler. Die Beschleunigung der Stösselstangen und der Ventile steigt. Deshalb braucht man dann stärkere Ventilfedern, damit die Ventile nicht wild durcheinanderfliegen und weiterhin geordnet schliessen. Das erhöht natürlich die Belastung auf den ganzen Ventilapparat und fördert den Verschleiss. Bei Rennmotoren, die sowieso ständig zerlegt werden, spielt das keine Rolle. Wer eine tourentaugliches Bike haben will, sollte sich da lieber beschränken.
Mehr Luft wird aber auch durch eine längere Öffnungszeit erreicht. Dazu macht man die Nocken "dicker". Gleichzeitig sinkt damit die "Steilheit der Rampe". Die Belastung der Federn und die Beschleunigungskräfte des Ventiltriebs sinkt, wodurch man höhere Drehzahlen realisieren kann.
Die Steilheit dieser Rampe wird durch Dicke der Nocke bestimmt. Das ist die Duration. Je grösser die Duration, desto dicker die Nocke. Bei der Ausformung der Rampen ist zu beachten, dass man die Ventile am Anfang und am Ende ihrer Bewegung "sanft" anheben bzw. absenken sollte. Bei dem Eingangsventil ist das nicht ganz so kritisch. Das Auslassventil dagegen ist rotglühend. Wenn es beim schliessen zu schnell wieder auf den Kopf aufschlägt, kann es zu Verformungen und frühzeitigen Schäden kommen. Deshalb wird man nicht umhin kommen, die Beschleunigung eines grossen Lifts durch die gleichzeitige Erhöhung der Duration zu kompensieren.
Ein weiterer positiver Effekt von höherer Duration ist die Kühlung des Zylinders (speziell des Auslassventils). Es fliesst einfach längerer Zeit kühle Ansaugluft durch den Zylinder, was zu einem messbaren Kühlungseffekt führt. So kann es sein, dass eine "schärfere" Nockenwelle zu einem kühleren Motor führt.
Eine hohe Duration führt zu einem grösseren Overlap, und/oder auch zu ein einem grösseren ABDC Wert, welcher wesentlichen Einfluss auf die dynamische Kompression hat (s.u.). Bleiben die Ventile zu lange auf, hat man massive Strömungsverluste (heisst Drehmomentverluste) im unteren Drehzahlbereich. Bei hohen Drehzahlen werden die Strömungsbedingungen im Zylinder durch eine hohe Duration unvorhersehbar.
Duration Werte unter 220° sind kindisch. Bei etwa 250° ist die Grenze, bei der es noch normal zugeht. Bei 295° hat man "HighEnd" Nocken, die nur noch für die Rennstrecke gut sind.
Mein Rat: Duration unter 250°
Dynamische Kompression:
Bei den technischen Angaben eines Verbrennungsmotors wird üblicherweise die Statische Kompression angegeben, die man einfach aus Bohrung und Hub ausrechnen kann. Sie liegt bei TC Motoren zwischen 8.8 und 9.3. Sie ist deshalb so niedrig, weil die standarmässigen TC Motoren ohne Ölkühler ansonsten Temperaturprobleme bekommen würden. Mann kann mit unserem Benzin aber durchaus eine statische Kompression von 10.0 bis 10.5 vertreten, insbesonderen wenn man eine EFI mit "Knock Control" hat (und einen Ölkühler und eine heruntergesetzte AFR hat). Das würde die Drehmomentverluste im unteren Drehzahlband ausgleichen und im mittleren und hohen Drehzahlbereich für noch mehr Drehmoment sorgen.
Der Begriff der dynamischen Kompression hängt eng mit der Duration zusammen. Man nennt sie auch oft "korrigierte Kompression". Je länger das Einlassventil aufbleiben soll (je grösser also dadurch die Duration ist), desto "dicker" wird auch die Nocke sein müssen. Das führt dazu, dass das Einlassventil anfangs noch offen ist, während sich der Kolben schon wieder in Richtung Kompressionstakt nach oben bewegt. Solange das Einlassventil noch auf ist, kann der Kolben natürlich nicht komprimieren. Es geht also etwas von der maximal erreichbaren Kompression verloren. Dieser Effekt ist bei geringen Drehzahlen besonders ausgeprägt, bei mittleren und höheren Drehzahlen sorgt die Trägheit der angesaugten Luft dafür, dass sich die "Lücke" schneller schliesst, als sich die Gassäule wieder rückwärts in Bewegung setzen kann. Dann wird also die dynamische Kompression gleich der statischen.
Bei den Daten der Nockenwelle spielt deshalb der Wert ABDC (der zweite Wert für die Einlassnocke) eine besondere Rolle. Er gibt die Gradzahl an, bis wann die Einlassnockenwelle nach dem UT noch geöffnet bleibt. Dieser Wert liegt normalerweise bei 35°-50°. Je grösser dieser Wert ist, desto mehr Kompressionsverluste (und Drehmomentverluste) hat man bei niedrigen Drehzahlen. Die Reaper 574 hat einen ABDC von 45°.
Ein zu kleiner Wert (wie bei der SE-255: 25°) führt übrigens dazu, dass der Anlasser beim Start einen merklich höheren Widerstand überwinden muss. Zudem ist dadurch die entsprechende Duration der Nockenwelle relativ klein, was zu fehlendem Drehmoment bei mittleren und höheren Drehzahlen führt.
Bei der Berechnung der dynamischen Kompression hat man mehrere Variablen.
1. Die statische Kompression. Das ist der Ausgangswert. Wenn ABDC <=0 ist, ist die dynamische Kompression gleich der statischen Kompression
2. Der Wert ABDC der Nockenwelle
3. Die Höhe (und damit der Luftdruck), auf der der Motor fahren soll.
4. Die Länge des Pleues. Das liegt daran, dass je nach Pleuelänge der Kolben in Relation zur Nockenwellenstellung verschieden hoch steht. Was direkten Einfluss auf die Menge der Gasverluste hat. Nur bei OT und UT macht es keinen Unterschied. Ein langer Pleuel steht während der kompletten Umdrehung der Kurbelwelle "senkrechter" wie ein kurzer Pleuel.
Aus diesen Werten errechnet man ziemlich genau die dynamische Kompression. Hier ein Web-Rechner:
Boost Compression Ratio Calculator
Bei einem Motortuning von Strassenbikes wird man weder die Länge des verbauten Pleues ändern, noch den Luftdruck, bei dem tatsächlich gefahren wird. Man kann aber den Wert ABDC der Nockenwelle aussuchen und die statische Kompression bestimmen (zum Beispiel durch Bearbeitung des Zylinderkopfes oder dünnere Kopfdichtungen). Üblicherweise hat man eine gewünschte Nockenwelle mit einem bestimmten ABDC und berechnet daraus die statische Kompression, welche notwendig ist, um die gewünschte dynamische Kompression zu erhalten (üblicherweise zwischen 9.0 und 9.5). Dabei errechnet sich bei üblichen Tuning-Nockenwelle eine notwendige statische Kompression von rund 10.5 . Das ist so ziemlich die Obergrenze, bei der man noch sauber Super Benzin (95 Oktan) fahren kann. Racing-Nockenwellen mit mehr Duration können aber schonmal eine statische Kompression von 11.0 und mehr erfordern. Da geht dann nur noch Superplus. Noch höhere Kompressionen erfordern verschärfte Massnahmen.
Hier noch ein paar interessante Links zu dem Thema:
Cam Timing vs. Compression Analysis
Tuning Engine Compression - Tech Article - Chevy High Performance Magazine
Static and Dynamic Compression
Mein Rat: ABDC zwischen 35° und 45°.
Die besprochenen Nockenwellen:
Alle Theorie ist grau. Um klarzumachen, wie einzelne Nockenwellen funktionieren, habe ich ein paar Vertreter ausgewählt, die ich selber schon verbaut habe. Nockenwellen anderer Hersteller lassen sich in dieses Raster einfügen, so dass man eine relativ gute Vorstellung davon erhält, was zu erwarten ist.
Hier ist die Liste mit den Werten der Nockenwellen, die ich besprechen werde.
CAM | Lift " | Open BtDc/BBDC | Close ABDC/ATDC | Duration | Overlap | Lobe Center | Lobe Separation | |
| | ||||||||
HD A Motor | Int | 0.473 | -2 ° | 38 ° | 216.0 | 2.0 | 110.0 | 108.0 |
Exh | 36 ° | 4 ° | 220.0 | 106.0 | ||||
| | ||||||||
HD Injected 06 | Int | 0.474 | -3.5 ° | 40 ° | 216.5 | -5.0 | 118.8 | 111.5 |
Exh | 41 ° | -1.5 ° | 219.5 | 111.3 | ||||
| | ||||||||
HD Injected 08 | Int | 0.484 | -12.0 ° | 30.0 ° | 198.0 | -8.0 | 111.0 | 109.0 |
Exh | 38.0 ° | 4.0 ° | 222.0 | 107.0 | ||||
| | ||||||||
SE-203 | Int | 0.510 | 18 ° | 36 ° | 234.0 | 35.0 | 99.0 | 100.8 |
Exh | 0.483 | 42 ° | 17 ° | 239.0 | 102.5 | |||
| | ||||||||
SE-204 | Int | 0.508 | 22 ° | 34° | 236.0 | 30.0 | 96.0 | 111.5 |
Exh | 0.508 | 52 ° | 8 ° | 240.0 | 112.0 | |||
| | ||||||||
SE-255 | Int | 0.550 | 6 ° | 25 ° | 211.0 | 13.0 | 99.5 | 100.8 |
Exh | 0.550 | 48 ° | 7 ° | 235.0 | 110.5 | |||
| | ||||||||
SE-259E | Int | 0.579 | 19 ° | 47 ° | 246.0 | 31.0 | 104.0 | 108.5 |
Exh | 0.579 | 58 ° | 12 ° | 250.0 | 113.0 | |||
| | ||||||||
Reaper 574 | Int | 0.574 | 15 ° | 45 ° | 240.0 | 29.0 | 105.0 | 109.25 |
Exh | 0.574 | 61 ° | 14 ° | 255.0 | 113.5 |
Big Boyz Head Porting - Twin Cam Camshaft Comparator
Achtung: Die SE-204 gibt es in zwei Ausführungen. Als Bestellnummer 25149-00 für Modelle bis 06, und 25464-06 für die Modelle danach.
Die Harley Standardnockenwellen:
Im ersten TwinCam Motor, damals noch mit Vergaser, war eine sehr milde Nockenwelle verbaut. Der Lift lag bei moderaten 0.473", also im Bereich aller StrassenCam. Es gab etwas Overlap, (2°), der Einlass hat sich erst nach dem OT geöffnet. Mehr als ein marginales Spülergebniss kam dabei nicht raus. Die Duration war am unteren Ende. Halt eine milde Standardnocke.
Dann begann die Zeit, wo die amerikanische Umweltbehörde EPA ihre gierigen Finger ausgesteckt hat. Um die Abgaswerte zu optimieren, sollte man am besten gar keinen Overlap haben. Dann so bleibt ein Teil des Abgases im Brennraum und wird nochmal verbrannt. Den Trick (in inschinörqualitait) hat auch BMW mit der leidigen Abgasrückführung versucht (R100). Das geht natürlich zu Lasten des Drehmoments.
Die Cams des Baujahres ´06 hatten deshalb einen Overlap von -5.0°. Also nicht nur 0, sondern noch weniger als Null. Damit man ganz sicher sein konnte, dass ja genug Abgase übrigbleiben. Die Einlassnocke wurde deutlich weiter in den sicheren Bereich gedreht als die Augangsnocke. Aber auch die Ausgangsnocke öffnet sich erst, wenn der Kolben bereits wieder runtergeht. Ganz brav.
Das hat aber offensichtlich den Umweltwächtern nicht gereicht. Deshalb wurde es ab Baujahr ´07 noch verrückter. Die jetzigen Nockenwellen haben einen Overlap von -8.0°, damit man gaaanz gaaanz sicher geht, dass ja keine Frischluft vorzeitig einfliesst. Und die Duration der Einlasssnocke wurde auf das kindische Mass von 198° gesetzt. Das ist sowas wie eine Drosselplatte im Vergaser. Nur ja nicht zuviel Frischluft. Könnte ja die Leistung erhöhen. Da kann man am Luftfilter und am Manifold den Durchsatz erhöhen, soviel man will...
Diese Cam ist für grüne Umweltengel, die mit 40 noch bei Mutti wohnen und am Daumen nuckeln. Ein EVO Motor hätte mit diesen Steuermassen wahrscheinlich nur gespeutzt, gespuckt und wäre dann protestierend stehen geblieben. Das ist eher etwas für stationäre Wasserpumpen in Afrika.
Zugegebenermassen war mir das auch nicht klar, bevor ich mich näher damit befasst habe. Es ist eine grossartige Ingenieurleistung von Harley, dass der TwinCam Motor mit diesen Nockenwellen trotzdem noch gut läuft. Und sogar sehr viel besser als ein getunter EVO.
Ab 2014 wurden diese Kastraten-Nockenwellen gegen eine Neue ausgetauscht. Die sind in ihren Timing-Werten den SE-255 ähnlich. Die neue Standardnockenwelle hat jetzt z.b. 13° Duration. Nur der Valve Lift unterscheidet sich von der SE-255. Und schon gibt der Motor mehr Leistung ab. Soso.
Mein Rat: Standard-Cam (bis 2013) sofort ersetzten.
Die Screaming Eagle Nockenwellen:
Zum Glück gibt es ja die Tuning-Nockenwellen von Harley, die im Screaming-Eagle Sortiment geführt werden. Die SE-203 wurde verbaut, als man den TC-88 Motor auf 98cui aufgepeppt hat (Stage-II). Diese Nockenwelle hat einen üppige Overlap von 35°, zumindest die Einlassnocke hat einen höheren Lift und die Duration lag im oberen Bereich. Damit konnte man was Anfangen. Das gesamte Drehmomentband ging schlagartig nach oben, mehr Leistung im gesamten Drehzahlband. Was diese Cam nicht hatte war das Traktorbullern ganz unten raus. Dafür konnte man damit die Alpenpässe mühelos raufhetzen. Alles in allem eine mildere Cam für ein Drehmomentmaximum im mittleren Drehzahlbereich. Geeignet eher für leichtere Maschinen. Besser wäre aber sicher die SE-204 gewesen. Das ist eine SE-203 ohne EPA Einschränkungen.
Die SE-255 wird jetzt als die ultimative Nockenwellen für den aktuellen Stage-II Umbau angeboten. Schon von der Anlage her ist diese Cam auf maximalem Drehmoment im unteren Drehzahlband ausgelegt. Sie gilt als Drehmomentmonster. Als ich meine 110"CVO bekommen habe, die auch diese Nockenwelle hat, war ich von der Fahrcharakteristik eher enttäuscht. Unten rum ging zwar was, aber wenn ich auf der Autobahn mal eine Lasterreihe im 6.ten Gang überholen wollte, dann fühlte sich das an wie Kaugummi.
Woher kommt dieser Fahreindruck?
Der Overlap ist magere 13.0°, der Lift ist auf .550" angestiegen. Die Duration der Eingangsnocke wurde auf einen relativ geringen Wert von 211° zurückgenommen (wieder diese leidige Drosselung).
Man hat den Eindruck, dass auch diese Nockenwelle unter dem EPA Diktat steht. Sie wird schliesslich auch in den strassenzugelassenen 110cui CVO Motoren verbaut. Der geringe Overlap bewirkt gerade bei den 110cui Motoren, dass die dynamische Kompression sehr hoch ist, weshalb der Startermotor sich mächtig anstrengen muss. Ohne die automatische Dekompressionshilfe würde der sich gar nicht mehr drehen.
Ab dem mittleren Drehzahlbereich lässt die Cam deutlich nach. Und auch unten rum gibt es nicht den erwarteten "Überbumms". Dazu ist sie wohl noch viel zu brav. Die SE-255 ist eine Standard-Nockenwellen auf Steroiden.
Screaming Eagle SE-259E Nockenwelle
Die SE-259E läuft etwa in der Liga der Reaper 574, mit einem gewissen Hang nach höheren Drehzahlen. Sie ist der SE-255 auf jeden Fall vorzuziehen. Man könnte sagen: Die SE-259E ist das, was die SE-255 verspricht.
Diese Nockenwelle ist auch in dem neuen Stage-4 Kit für die 103cui Motoren enthalten (#92500011):
Screamin' Eagle® Street Performance Stage 4 Kit - 103 Cubic Inches | Genuine Motor Accessories | Harley-Davidson USA
Dieses Kit enthält 2 überarbeitete Zylinderköpfe (CNC gefräst), einen grossen Manifold (58mm), passende Stösselstangen, Kolben, eine verstärkte Kupplungsfeder und alle nötigen Dichtungen.
Die Zylinderköpfe zusammen mit den neuen Kolben haben eine Kompression von 10.5. Das ist die Kompression, die eigentlich jede Serienharley haben sollte, aber wegen fehlendem Ölkühler nicht hat. Das gleicht dann die Kompressionsverluste durch die ABDC der Nockenwelle von 47° aus (siehe dynamische Kompression). Angegeben werden 103PS bei 150Nm (110 lb/ft).
Mit $1850,- sicher kein Schnäppchen, aber in Anbetracht des Lieferumfangs sicher lohnenswert.
Feuling Reaper 574:
Diese Cam ist der Wood TW-7H sehr ähnlich, die gleichfalls einen sehr guten Ruf als Allround-Drehmoment-Cam hat. Die Reaper hat durch ihren geringeren Overlap aber mehr Bumms ganz unten im Drehzahlband. Die TW-7H ist mehr für Geschwindigkeit und Drehmoment im mittleren Drehzahlbereich ausgelegt.
Die Reaper 574 hat ihre Werte so optimal gelegt, wie man es nur machen kann, um gleichzeitig viel Drehmoment ganz unten UND einen weiten Drehmomentverlauf zu haben:
Mit dem 0.574" Lift kann man diese Nockenwelle noch ohne Probleme mit dem Antrieb der Nockenwellen durch Steuerketten betreiben. Sie passt auch noch problemlos in die 96cui Motoren (s.u.). Der Overlap liegt kurz unter den magischen 30%, ab denen die Cam nicht mehr optimal im unteren Drehzahlband läuft. Die Duration liegt gleichfalls an der Grenze von 250°, bis zu der ein Normalbetrieb einwandfrei möglich ist.
Meine Erfahrungen mit dieser Cam ist, dass der Startermotor deutlich leichter läuft, da die Dynamische Kompression kleiner ist wie bei der SE-255. Das wird aber durch das Mehr an Frischgas gegenüber der SE-255 deutlich wieder ausgeglichen. Aus den durch Messfahrten gewonnen VE-Tables erkenne ich im Vergleich zur SE-255 Table, dass der maximale Luftdurchsatz nochmal um 5% gestiegen ist, vorzugsweise im hinteren Zylinder. Auch die Verteilung der VE-Bergspitzen hat sich leicht zugunsten des unteren Drehzahlbandes geändert.
Mehr noch als die Messwerte überzeugen die Fahreigenschaften: Voller Anzug ab kurz nach Standgas, kraftvolles Hochdrehen, Drehmoment bis zum Ende des Drehzahlbandes. Ich kann gemütlich trekkern, aber auch Reiskocher (naja, die kleineren) auf den Alpenpässen jagen :-). So habe ich mir Harley fahren immer vorgestellt.
Dynochart TW-7 contra SE-255:
Zur Anschauung ein Dynochart der TW-7 (die der Reaper 574 ähnlich ist), mit der SE-255. Die SE-255 ist dabei der untere Graph.

Die Reaper Linie würde wie die TW-7 Linie sein, nur einfach ein Stück weiter links liegen. Das bedeutet mehr Drehmoment im unteren Drehzahlbereich.
Da kann ich zur SE-255 nur sagen: "Mythos zerstört".



Cams for Harley Davidson Twin Cam
Feuling Reaper 574 in 96cui Motoren:
Die eingebauten Ventilfedern erlauben nach Harley Werksangaben einen Valve Lift bis .569". Dass auch die Feuling Reaper 574 passt, hat mir Luke Leatherman von Feuling bestätigt:
"Yes the 574 Reaper camshaft is an excellent bolt-in on the 96" engines with the exception of needing adjustable pushrods. Feuling part #4090 pushrods work with the factory pushrod tubes."
HP+® Adjustable Pushrods at FEULINGPARTS oil pump corp
Man kann also die Reaper 574 in den 96cui Kopf einbauen. Es wird aber eventuell eine verstellbare Stösselstange fällig. Ich persönlich fahre einstellbare Stösselstangen in meiner 110cui. Und ich würde das auch jedem empfehlen.
Andere Nockenwellen für 96cui:
Hie noch eine interessante Seite, welche die Verdichtung und die maximal mögliche Duration zueinander in Beziehung bringt:
Harley-Davidson Camshaft Selector
Und hier eine Liste aller Screaming Eagle Nockenwellen:
© 2010, Peter Viczena
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